Der Parkplatz ist leer, uns erwartet eine einsame Tour im Bereich der Stadelwand. So soll es sein. Ausgerüstet mit jeder Menge Material gehen wir es an. Wir zweigen wie die letzten Male aus dem Stadelwandgraben relativ früh ab, um am Waldrücken aufzusteigen. Doch im Abstieg sind wir sicher, dass man den Graben, solange ansteigen könnte, bis der Weg auf den Schneeberg nach rechts aus dem Graben dreht. Dort ist ein gut ausgetretenes Steiglein nach links ohne viel Anstieg. Das werden wir das nächste Mal ausprobieren.
Durchs Gassl gehen wir ganz links. Das ist empfehlenswert, wenn man nicht unnütz Energie verschwenden will. Ab hier übernimmt Gernot die Routenwahl. Beim ersten Mal hat sich Peter unser dritter im Bunde auf seine Erinnerung von vor 15 Jahren verlassen. Beim zweiten Mal habe ich mich als einer mit ausgeprägter Rotsehschwäche probiert. So findet Gernot beim dritten Mal den offiziellen Zustieg. Alle paar Meter bin ich überrascht, wenn mir Gernot wieder einen Markierungspunkt zeigt. Ein Wunder, dass ich mich überhaupt irgendwie durchs Leben finde.
Nach dem Anseilen übernehme wieder ich. Die Hüfte quält mich seit geraumer Zeit. Die Diagnose und Prognose ist auch nicht sonderlich aufbauend und so bin ich etwas unsicher. Das merke ich gleich beim Abklettern des ersten Turms. Ich bin gar nicht sicher, ob der erste Turm überhaupt zur Route gehört. Immerhin muss man am fetten roten Pfeil in die Gegenrichtung vorbei, um dorthin zu gelangen. Nach dem Abstieg wartet ein blitzblank polierter Standplatz. Vielleicht geht es ja hier professionell los.
Mit den Seillängen kommt erst die Zuversicht und dann die Freude zurück. Die Bedingungen sind ideal. Es ist trocken und in der Sonne angenehm war. Wir experimentieren mit unseren neuen Sicherungsgeräten und erkennen durchaus Verbesserungsmöglichkeiten in unserer Handhabung. Ich denke, das versteht man unter Erfahrung sammeln, aber ohne dass etwas passiert ist. Sehr fein! Die Kraxelei ist fein und nun schon zweimal hier beschrieben.
Nach ungefähr zwei Drittel der Strecke oder ungefähr sieben Seillängen hat man wieder die Wahl, wie denn der kommende Abschnitt zu nehmen ist. Links herum in II, rechts herum mit leichtem Abstieg und folgendem III oder direkt in III+. Wir wählen wieder die IIIer-Variante. Mir gelingt sie leicht, das Gejammer mit der Hüfte war gestern, obschon die Stelle für uns spannend ist. Gernot erwischt es diesmal nicht so gut. Ein bisserl Demut nach der Euphorie der unteren zwei Drittel ist eh nicht schlecht.
Im letzten Drittel bleibe ich am Grat, was nochmals eine schöne Kletterei bringt. Auch diesmal sind wir am Ausstieg einigermaßen erschöpft. Gernot fragt, ob wir diesmal mit unseren dreieinhalb Stunden schneller waren als die letzten Male. Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass Ueli Steck in 2 Stunden 22 Minuten die Eiger Nordwand druchstiegen hat. Angesichts dieser Tatsache ist es wurscht, ob wir zwei oder acht Stunden für den Stadelwandgrat brauchen. Uns hat’s gefallen, und das zählt!