Gernot und ich starten Richtung Hochschwab. Gernot war vor einer Woche hier und weiß von guten Bedingungen zu berichten. Diesmal wollen wir über die Häuslalm zum Zagelkar und dieses abfahren. Omikron hat mich in den Tagen davor niedergestreckt und Saharastaub liegt in der Luft. Schauen ma a mal!
Der Schnee ist gegenüber der letzten Woche weniger geworden. Man kann aber noch über eine geschlossene Schneedecke zur Häuslalm. Zu unserer Überraschung ist die Hütte geöffnet. Der Wirt öffnet von Donnerstag bis Sonntag. Wir sind die fast ersten Gäste in dieser Woche. Ohne Geld, aber mit dem Bedürfnis Umsatz zu machen, bestellen wir Hauswurst und Krainer. Die Sachen müssen immerhin zu Fuß heraufgetragen werden. Da wollen wir nicht geizen. Die Würstel sind gut, aber wir müssen uns eingestehen, dass wenige Athleten vor dem Wettkampf zwei Hauswürste oder eine Krainer in sich stopfen, um Bestleistung aus ihren Körpern zu holen.
Zuerst geht noch alles gut. Wir kommen zügig voran, aber spätestens ab der Hirschengrube stollt der Schnee an, dass es zum Heulen ist. Nach der Hirschengrube weicht der Schnee weitgehend Gras und Steinen. Da kann man zumindest den angestollten Schnee abstreifen. Aber der haftet gleich beim ersten Schneekontakt wieder an den Fellen.
Dass es weit zu gehen ist am Plateau, wissen wir ja. Nur heute erscheint es mir extra zäh. Da wären mal die Würstel, die vermutlich den geringsten Anteil an der einsetzenden Erschöpfung haben. Omikron ist schon eine bessere Erklärung. Die wahrscheinlichste Erklärung bzw. jene mit dem größten Gewicht ist jedoch jene, dass ich heute einfach nicht fit genug bin.
Das zeigt sich erstmal daran, dass ich nicht einmal die letzten Meter zum Zagelkogel aufsteigen will. Okay, es liegt wenig Schnee. Mit Skiern könnte man nicht abfahren. Für einen Auf- und Abstieg ohne Skier fehlen uns die Grödel und die Motivation. Dann verliere ich noch beim Abfellen eine Schutzfolie. Die treibt der Wind davon. Das tut mir weh, denn ich will weder, dass ich Plastikmüll verursache, noch, dass eine Gämse das Plastik frisst. Gernot ist fitter und versucht die Folie einzuholen – leider vergeblich.
Vom Hüttenwirt haben wir gehört, dass Tourengeher im Zagelkar bei der direkten Abfahrt auf eine apere Stelle von 50 Meter gestoßen sind. Der Wind hat wohl die Stelle ausgeblasen und so mussten die Tourengeher abschnallen. Das wollen wir definitiv nicht. Unser Plan B ist es, unter dem Ghacktkogel ins Zagelkar einzufahren – die Normalvariante. Aus der Ferne sieht man schon, dass es da völlig aper ist. Zu meiner Erschöpfung gesellen sich nun noch Zweifel. Es bleibt die Variante, ziemlich in der Mitte von Zagelkogel und Ghacktkogel einzufahren. Wir fahren an die Kante vor und sehen.. nichts. Also, wir sehen schon das Zagelkar unter uns, aber direkt unter uns? Stehen wir auf Felsen, einer Wechte,..? Ich bin im Sommer hier irgendwo rauf, da musste ich zumindest eine Steilstufe kraxeln. Ein Seil war angebracht. Hmm?
Weiter rechts sieht es dann machbar aus. Ich fahre als der schwächere Skifahrer vor. Der Schnee ist sogar recht fein. Ein bisserl mehr als Firn, aber gut fahrbar. Nur in meinen Beinen ist keine Kraft mehr und im Kopf die Idee von der Kletterstelle. Das sind keine Zutaten, um die Abfahrt zu genießen. Gernot hat mehr Kraft in den Beinen, weniger Zweifel im Kopf und bessere Skifertigkeiten. Egal, das Steilste ist bald hinter mir und ich gönne mir eine Pause auf einem Felsen. Beim Blick Richtung Zagelkogel sehen wir, dass auch die direkte Abfahrt entlang der Felsen gegangen wäre. Keine apere Stelle in Sicht. Macht nichts, unsere Variante ist auch edel.
Nun geht es noch einmal kurz steiler, ehe es abflacht und sich ein bisserl Frühjahrssulz breitmacht. Das Zagelkar ist ein langer Hang und eine feine Sache. Wir queren ins Trawiestal und schmieren dieses in der Sonne hinaus. Die Abzweigung zum Wanderweg verpassen wir, weil Gernot so eine Freude am Bachbett findet. Als wir die Position checken, sind wir schon weit unten. Gernot will dem Bachbett weiter folgen, aber das endet nach meinem Wissen in einem steilen Abbruch. Ich erinnere mich an einen Bericht von einer schwer zu findenden Jagdhütte und die Möglichkeit über Forststraßen abzufahren.
So ist das Schicksal mit einem erschöpften Gottfried dann doch noch gnädig. Wir müssen zwar ein bisserl durch Wald und unwegsames Gelände an der Jagdhütte vorbeischieben, erreichen aber bald das legendäre Bankerl. Ab hier gibt es Forststraße bis zum Auto. Und wir müssen nicht einmal tragen. Passt also!