Freitag, reichlich Schnee und ein guter Wetterbericht liegen vor. Mit oder ohne Skier ist die Frage. Ich werfe die Skier ins Auto und mache mich auf den Weg nach Rettenegg zum Saisonstart. Über den Pfaffensattel getraue ich mich nicht. Die Q stellt sich auf Schnee recht ungeschickt an, weswegen ich die nicht so steile Variante über den Feistritzsattel wähle.
Beim Forellengasthof angekommen, staune ich nicht schlecht. Zwei Gruppen von in Summe sicherlich 15 Tourengeher machen sich aufgeregt vorbei. Eine Wiese wurde zu einem Parkplatz umgewidmet. Der Sheriff ermahnt mich, nicht so großzügig zu parken. Wie bitte, da ist Platz für 50 Autos! Eben, am Wochenende wird das auch sicher voll. Es ist Freitag, er soll die fünf Euro nehmen und mich in Ruhe lassen. Oh, da sind auch andere Flächen zu Parkplätzen umfunktioniert. 80 Parkplätze zu 5 Euro an 8 Wochenendtagen macht 3 200 Euro. Wow, und das bei dem Minimalaufwand. Als starkes Argument höre ich noch, dass in Wien das Parken auch teuer ist. Zum Glück hat der gute Mann mit Pelzmütze keine Ahnung, wie die Situation in Hongkong, Tokio oder Singapur ist.
Der Anstieg führt erst durch den Wald, ehe es über vermutlich weniger lukrative Wiesen steiler bergauf führt. Immer mehr Tourengeher sehe ich. Nein, heute kann ich mich nicht mit jedem und jeder unterhalten. Wollen die auch nicht. Da ist jeder mit sich selbst beschäftigt. Ich staune schon wieder. Vor drei Jahren waren da eine einstellige Zahl an Tourengehern unterwegs und jetzt?
Am oberen Ende der Wiesen warten ein paar Deep-Pow-Jünger in der Sonne. Das Material ist positioniert und soll beeindrucken, vielleicht auch Weibchen anlocken. Wie soll der Hang angefahren werden, sodass man vergleichbares Bildmaterial wie Jeremie auf Youtube mit der GoPro einfangen kann? Heute schwitze ich ein bisserl zu sehr, um noch mehr zu staunen.
Nach dem Wald geht die Mehrheit rechts, ich folge diesmal der Skitour links. Vielleicht ist das ein bisserl länger. Jedenfalls vermeidet es den einzigen Schneebrett-Hotspot auf dieser doch unbedenklichen Tour. Aus der Ferne sehe ich übrigens, dass das Schneebrett schon vor kurzem entladen hat. Trotzdem wähle ich die einsamere, weniger steile und ausgeschilderte Tour. Am Plateau dann pfeift der Wind aus Süd und treibt mich zur Hütte. Leider ist auch der Schnee weggeblasen. Aber das ist hier heroben nichts neues.
Das Alois-Günther-Haus ist Covid-bedingt geschlossen. Vom angekündigten Take-Away des neuen engagierten Hüttenwirts sehe ich nichts. Heute wäre das bei dem Wind auch keine Freude. Ein vier Quadratmeter großer Windfang ist geöffnet. Hier drängen sich unter Missachtung der Maskenpflicht einschließlich mir sechs Personen und fellen ab, jausnen bzw. wechseln Unterziehleiberln. Ein interessanter Mix unterschiedlichster Gerüche von Kletzenbrot über Tee mit Rum zu Schweiß und Weichspüler fühlt den kleinen Raum. Aber immer wieder öffnet sich die Tür und jemand lugt herein. Das bringt zwar uns frische Luft aber nicht dem Schutzsuchenden den gewünschten Unterstand.
Irgendwann habe ich auch meine Schnallen zu und trete ins Freie hinaus. Das Stuhleck hat sich eine Haube aus Nebel verpasst und der Südwind hat so sehr an Stärke gewonnen, dass ich kaum dagegen ankomme. Eiskristalle fliegen mir entgegen, nicht alle können ausweichen. Schnell kriecht die Kälte in die eigentliche tadellose Ausrüstung. Vielleicht hätte ich mich auch kurzfristig entblößen und trockenlegen sollen? Mich überkommen erstmals Zweifel, ob das hier wirklich alles so geil ist, wie sich das die Sportabteilungsjünger mantraartig auto-suggerieren.
Nach dem Plateau werde ich mit fast unfahrbarem Schnee belohnt. Also, sieht alles super aus. Auf Facebook und Instagram würde man drunter schreiben: „Leider geil!“. Aber erstens ist der Schnee so windgepresst und zweitens bin ich so etwas von durchfroren, dass ich die Haxerln kaum abbiegen kann. Egal, Skifahrstar bin ich eh keiner und ich nutze die Skier als super effiziente Abstiegshilfe. Derart geht auch der Wald vorbei. Wenigstens die Wiese sollte eine angenehme Abfahrt erlauben.
Aber was ist hier los? Da geht es zu wie auf einer Skipiste. Die meisten machen keine sonderlich gute Figur. Ja, sind die nur bis hierher aufgestiegen und haben sich den entbehrlichen Rest für die wirklich harten Hund‘ wie mich geschenkt. Instant Karma, denn die Wiese ist den Aufstieg auch nicht wert. Der stumpfe Schnee lässt sich kaum drehen. Kommt man dann auf eine abgeblasene Stelle, dreht es doch ein bisserl gar schnell. Einen einzigen Skifahrer sehe ich, der hier die wenig steile Wiese unter hohem Kraftaufwand runterwedelt. Ja, der kann das. Er jauchzt und die Spur sieht schön aus. Als Live-Beobachter weiß ich zu berichten, dass das Jauchzen wohl simuliert war. Soll sein!
Der Parkplatz ist mittlerweile gut gefüllt. Ich überlasse Parklücke und Ticket einem Spätstarterpärchen. Die können ihr Glück nicht fassen. Selbst wähle ich die Route über den Pfaffensattel. Dort spielen sich auch lustige Szenen ab. Der deutlich kleinere Parkraum ist gut genutzt. Der Wind stellt hier aber Wechten und Schneeverwehungen auf, die es in sich haben. Tapfer kämpfen Schneeschuhwanderer, Tourengeher, Hundespazierer und andere Wintertouristen gegen die Naturgewalten.
Mir aber schwindelt es ohnedies in der Q, mein Kreislauf will mich gar nicht erfangen. Erst bei der Autobahnstation bringen Kaffee, jede Menge Flüssigkeit und eine Leberkässemmel meine Physiologie in Ordnung.
Also, vielleicht war es eine Laune des Zufalls, dass so viele Leute unterwegs waren. Vielleicht wurde Rettenegg von einem Influencer wachgeküsst. Vielleicht sind Skitouren endgültig zum Massensport geworden. Bei der nächsten Tour weiß ich mehr. Zumindest war das heute ein tadelloses Kardio-Training.
Fotos habe ich keine gemacht, obwohl das Wetter recht sonnig und die Landschaft fein war. Im Aufstieg war ich zu beeilt und in der Abfahrt zu durchfroren. Zumindest zwei Fotos der Anreise habe ich parat.