Für diesen Tag habe ich mir so einiges vorgenommen. Ich starte um halbzehn in Griesleiten und bin nach einer knappen Stunde am Waxriegelhaus. Es ist wärmer als gedacht und die feste Berghose ist etwas mühsam. Aber da muss man durch. Am Waxriegelhaus reserviere ich schon mal mein Essen für den Nachmittag, ehe es weiter zur Reißtalerhütte geht. Von dort geht es unterhalb der Raxenmäuer immer höher. Das erste Schneefeld liegt mir im Weg. Der Weg ist selten begangen, keine Spur quert das Feld. Ich muss „wild“ absteigen und auf der anderen Seite wieder rauf. Wer hat zu dieser Jahreszeit noch einen Pickel mit in dieser Höhe? Stöcke habe ich grundsätzlich nicht mit. Hoffentlich war es das einzige Hindernis.
Oberhalb des Blasriegels steige ich um einen Felsvorsprung und stehe plötzlich in wenigen Metern Entfernung von zwei Gämsen! Was haben wir drei uns erschreckt. Während die beiden mit weiten Sätzen im Geröll abgerauscht sind, hab ich nur mal verdutzt geschaut. Lange haben sie mich noch beobachtet. Die beiden Gämsen scheinen noch mehr Zeit zu haben als ich.
Zu meiner Überraschung sehe ich bei der Karreralm einen Wanderer. Am Altenbergsteig treffe ich noch zwei Wanderer – wahre Rushhour. Die beiden sind am Weg nach Nizza. Vor einer Woche sind sie in Wien los. Bis September haben sie sich Zeit genommen – wow!
Auf der Heukuppe ist es unspektakulär. Der Abstieg zum Karl-Ludwig-Haus ist aber ein Spaß, denn auf den Schneefeldern komme ich schnell voran. Spuren belegen, dass da ein paar Firngleiter wohl ihren Spaß hatten!
Statt über den Predigtstuhl will ich den Bismarcksteig gehen. Eigentlich sollte es nur ein versicherter Klettersteig von geringerer Schwierigkeit („B“) oberhalb des Siebenbrunnenkessels sein. Aber es kommt halt auf die Bedingungen an. Der Einstieg in den Bismarcksteig hat es in sich. Ein mehr als 45° steiles Schneefeld hält sich über dem Steig und damit über dem Sicherungsseil. Man kann aber leicht oberhalb des Schneefelds entlang und muss dann nur ganz wenig absteigen. Das tue ich und hoffe, dass es das einzige Schneefeld bleibt. Dem ist dann aber nicht so. Noch zweimal verschwindet das Seil unter einem Schneefeld. Für eine Überquerung sind die Felder zu steil. Nach unten reichen sie weit und der Abstieg über die rutschigen und recht steilen Schrofen ist ein riskanter Eiertanz! So steige ich entlang des Schneefeldes ein paar Meter an den oberen Rand. Dort kann man zwischen Schneefeld und Fels eingeklemmt sicher queren. Der Abstieg auf der anderen Seite nach dem Schneefeld über die Schrofen ist kurz aber gruselig, weil steil, locker und rutschig. Der gesamte Steig ist noch kein bisschen vom Winter ausgeputzt. Viel loses Gestein liegt herum und so erfordert der eigentlich harmlose Steig einige Konzentration. Der Regen der letzten Tage hat zusätzlich den Boden so aufgeweicht, dass man meint, der Steig werde gleich abrutschen.
Nach dem Bismarcksteig steige ich den vertrauten Waxriegelsteig zum Waxriegelhaus hinunter, wo ich zugegebenermaßen recht ausgepowert ankomme. Weder das viele Trinken und Essen noch die lange Pause wollen das Kopfweh, das sich früh eingeschlichen hat, vertreiben. Die Sonne hat mir wohl zu lange auf den Kopf geschienen. Auch die verbliebenen Schneefelder können den anstehenden Sommer nicht leugnen. Fürs nächste Mal gilt also: Kopfbedeckung statt langer Hose. 😉 Der Abstieg nach Griesleiten ist dann nur noch eine kurze Pflicht.