Auf ins Hochschwabgebiet! Ich habe mir eine lange Tour auf alpenvereinaktiv.com mit ein bisserl Klettern ausgesucht. Hätte ich nur die Sicherheitshinweise gelesen. Es ist alles gut ausgegangen und eine Erfahrung hat sich verfestigt.
Um sechs Uhr breche ich auf, die Anreise ist lang und ich will die kühleren Stunden nutzen. Um acht Uhr starte ich am Parkplatz in Weichselboden. Die geplante Tour ist auf meiner Uhr und in meinem Handy offline gespeichert. Das Wetter ist stabil und ich fühle mich fit. Was sollte da schiefgehen!
Bei wenig Steigung lege ich schnell die ersten Kilometer durch die Vordere Höll und den Unteren Ring zurück. Umgeben von hohen Felswänden macht die Gegend landschaftlich durchaus etwas her. Der Weg ist selten begangen und entsprechend schwach ausgetreten. Aber der blaue Punkt folgt der roten Linie am Handy und auf der Uhr brav. Wer aus dem Unteren Ring in den Oberen Ring will, muss steil bergauf. Auch das geht problemlos.
In den Oberen Ring muss ich wieder ein Stück absteigen. Recht beeindruckend hier! Ich mache Pause und wundere mich, warum das wieder so anstrengend ist. Unabhängig von der Beantwortung dieser Frage muss ich weiter. Nun geht es ein Schotterfeld hinauf zum Einstieg in die Wasserfallschlucht. Ein junger Gamsbock fühlt sich belästigt und springt drohend auf dem Schneefeld herum. Keine Sorge, ich fühle mich nicht als Bedrohung und werde dein Revier respektieren. Also, schön entlang der Wände nach oben.
Die Wasserfallschlucht ist eine leichte Kletterei. Meine Herausforderung besteht darin, dass ich die roten Punkte finde, die die einfachste Route zeigen. Mit meiner Rot-Sehschwäche kann ich keine Kette an Punkten vor und oberhalb von mir erkennen. Die Punkte sind zum Glück so eng aufgemalt, dass selbst ich sie gut erkenne. Maximal eineinhalb Meter dürfen sie entfernt sein. Die Schlüsselstelle sehe ich schon von unten. Ich erkenne sie gleich, weil ich Bilder am Internet studiert habe. Die Tourenbeschreibung sagt: „Die Schlüsselstelle ist gut 5 m hoch und senkrecht (Schwierigkeitsgrad II).“. Also, das deckt sich nicht mit meiner Wahrnehmung. Ein 5m langes Seil würde sich spätestens nach eineinhalb Metern an den Fels schmiegen. Also, sehr steil aber nur ganz kurz senkrecht. Schon nach einem Schritt sieht man über das Hindernis. Rechts vom Hindernis sind große Tritte und Griffe. Rasch ist die Stelle erledigt.
Nun geht es weiter in sehr steilem (mehr als 45°) Gelände. Einen Pfad gibt es nur in ganz kurzen Abschnitten. Rote Punkte sind weiterhin bis aufs Plateau vorhanden, und das sogar reichlich. Trotzdem muss man fast immer kerzengerade nach oben. Ohne Steig macht ein Anstieg in Serpentinen oder längeren Querungen keinen Spaß, weil es einem ja den Fuß unangenehm verdreht. Also, steile Hänge ohne Spur geht man – oder gehe ich – direkt an. Und das ist anstrengend. Unser Dach hat übrigens 45 Grad. Da kann sich jeder vorstellen, dass man da vielleicht gerade hinaufkommt, aber queren – lieber nicht! Und so steige ich steiglos, aber stets von roten Punkten geleitet aufs Plateau. Der erste Teil wäre geschafft und ich bin auch schon recht geschafft.
Ein markierter Weg, kaum Steigung, was für eine Entspannung. Aber schon bald ist es damit vorbei. Wo der Weg nördlich des Hutkogels Richtung Südwesten abbiegt, geht die rote Linie wieder weglos weiter. Mann oh, soll sein so! Mit leichtem Höhenverlust geht es gerade weiter, bis das Gipfelkreuz des Ringkamps oberhalb von mir auftaucht. Wieder weglos und direkt über steiles, aber zum Glück nicht ganz steiles Gelände nach oben. Irgendwann quere ich dann zum Grat hinüber und der hat es in sich. Die steile Leitn endet abrupt und bricht Richtung Nordosten senkrecht in den Oberen Ring ab. Was für ein Ausblick! Da fallen die verbleibenden Meter zum Gipfel gleich leichter.
Am Gipfel verspeise ich den mitgebrachten Lardo und den Käse. Kohlehydrate gibt es in Form von Weckerl und Schoko. Das Wasser wird knapp. Aber jetzt geht es ja nur noch bergab. Ha – weit gefehlt!
Ich starte und folge der roten Linie – wieder weglos. Erst noch sanft über Gras und dann steiler werdend. Nicht so steil wie im Aufstieg, aber noch immer 30 bis 35°. Ohne Steig ist aber auch das steil. In Serpentinen geht nicht oder nur schlecht. Ungeübte stellen die Füße quer zum Hang und steigen so ab. Uh, da würden die kommenden 750 Höhenmeter lange werden. Also, schön die Knie ein bisserl beugen und den Oberkörper nach vorne. Langsam überkommen mich Zweifel, ob diese Route einem breiteren Publikum empfohlen werden sollte. Was passiert eigentlich, wenn man da ausrutscht. Also, zuerst landet man wohl am Hintern. Und dann sollte man ganz, ganz schnell zum Stillstand kommen und sich bloß nicht überschlagen.
In der Nordrinne liegt noch Altschnee. Zum Glück sind da mittlerweile ausreichend große Lücken, sodass ich problemlos queren kann. Aber ein Monat früher hätte ich da noch ein ungespurtes Schneefeld zu überwinden gehabt.
Nach einem Stück durch bzw. entlang der Latschen wird es endlich flacher. Aber die Edelbodenalm liegt noch weit unten. Schauen ma a mal! Im Wald wird es immer steiler. Wald, steil, weglos bedeutet unlustig. Unterschiedlichen Gräben folgend sehe ich irgendwann die Alm unter mir. Mich trennt nur noch eine Felswand. Was tun? Abklettern geht garantiert nicht. Wieder aufsteigen? Grundsätzlich ist die beste Option in so einer Situation „zurück zum markierten Weg“. Selbst schuld, wer allzu lange zugelassen hat, dass er davon abgekommen ist. Aber bei mir ist die letzte Markierung auf der anderen Seite des Ringkamps. Zum Glück habe ich die Tour offline gespeichert und Zugriff auf die Alpenvereinskarte. Ja, unter mir ist eine Felswand. Das sagt auch die Karte – fein! Da kann ich nicht runter. Aber rechts rum, östlich von der Wand sieht es am erträglichsten aus. Die rote Linie liegt eher westlich. Mittlerweile habe ich aber mein Vertrauen in die rote Linie und dessen Autor längst verloren. So schaue ich nach unten auf die Baumwipfel unter mir. 40 Höhenmeter durch über 55° steilen Wald nach unten ohne Weg – definitiv unlustig! Ich halte mich am ersten Baum fest, erwische mit den Füßen den nächsten .. dort eine Wurzel zum Festhalten – hier ein Fels. Bei bescheidenen Haltungsnoten und mit einigem Glück rutsche, steige, hangle ich da hinunter. Ich bin froh, dass ich zu diesem Hoppala keine Begleitung verführt habe und das alleine gut überstanden habe.
Meine Vorräte habe ich im Wald aufgebraucht. Auf der Edelbodenalm gibt es nichts außer ein Bankerl in der Sonne. Zum Glück habe ich Mio nicht mit, denn dem müsste ich nun erklären, dass es noch knapp sechs Kilometer bis zum Auto sind. Ich hätte ihm nicht mal erklären können, dass es in der Mitte eine Quelle gibt. Die rettet mich definitiv. Auf der Forststraße verpasse ich den abkürzenden Weg. Bei der nächsten Spitzkehre sehe ich die Straße steil unter mir und drehe durch: „Heute ist eh schon alles wurscht!“. Ich kürze weglos ab. Die Vegetation ist dichter. Disteln, ein bisserl Brennnesseln und sonstiges Unkraut verdeckt die toten Baumstämme im Graben. Wieder geht es rutschend und kaum kontrolliert bergab. Die Bremsen sind so aufgeregt, dass da einer Frischfleisch in ihren entlegenen Graben geworfen hat. Obwohl frisch ist da nix mit Ü50 und in überaus dehydriertem Zustand an mir. So überrumple ich die Insekten. Brennnessel und Disteln schaffen es hingegen, bei mir sehr lange in Erinnerung zu bleiben.
Auf den letzten drei Kilometer kann ich gar noch ein bisserl laufen, aber ganz zum Ende reicht es. Leer gebrannt schleppe ich mich zum Auto. Der Sparverein hat gekühlte Getränke gegen eine Spende aufgestellt. Die Salza kühlt Getränke und mich. Das Leben kehrt wieder zurück. Geschafft!
Die Tour ist landschaftlich toll, lange, sehr einsam und abwechslungsreich. Da passt alles. Wer sie nachgehen möchte, sollte wissen, was er tut und über ausreichend Erfahrung in den Bergen verfügen. Aber all das kann man auch unter den Sicherheitshinweisen zur Tourenbeschreibung auf alpenvereinaktiv.com lesen.
Fast die gesamte hier beschriebene Route ist unmarkiert und verlangt sehr gutes Orientierungsvermögen.
Die Wasserfallschlucht ist Klettergelände im Schwierigkeitsgrad II.
Der Direktanstieg zur Edelbodenalm führt durch sehr steiles Schrofengelände im Wald.
Diese Tour ist daher nur für wirklich geübte, erfahrene, umsichtige und ausdauernde Bergsportler geeignet!
Hier die Beschreibung zum Abstieg:
Für den Abstieg kann man dem markierten Wanderweg nach Westen folgen, der allerdings einen großen Umweg darstellt. Oder man geht vom Gipfel aus nach Norden weglos bergab und hält sich bei einer Schrofenrinne rechts, um in der Nähe der Abbruchkante tiefer zu steigen. Bald sieht man die Edelbodenalm tief unter sich und steuert sehr steil bergab eine Schneise in den Latschen an, die leicht nach links weist, überquert die Schrofenrinne ganz unten und biegt in diese Schneise ein, die in lichten Lärchenwald führt. Am unteren Ende der Schneise beginnt eine Rinne. Hier muss man sich sofort nach links auf einen Rücken wenden, wenn man nicht in extremes Steilgelände geraten möchte, und weiter schräg nach links durch den lichten Steilwald ausqueren, um dort durch mehrere sehr steile Grasrinnen abzusteigen, bis man schließlich ganz unten auf den markierten Steig trifft, der nach rechts zur Edelbodenalm hinunter führt. Zum Abschluss wandert man am markierten Wanderweg zurück bis nach Weichselboden.
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