Als gäbe es sonst keine Berge in Österreich! Knapp Tausend Dreitausender würden da warten und der Hochkönig ist nicht einmal ein Dreitausender. Trotzdem sind wir wieder am Weg. Gernot möchte diesmal auch rauf und seine bestellte Garmin testen. Eines geht aus, das andere lässt auf sich warten.
Den Vorabend verbringen wir in der Käsehütte des Arthurhauses bei Käsefondue und einer Flasche Wein. Die Käsehütte ist gesteckt voll und wir sitzen zu acht am Tisch. Schnell finden wir Thomas, der sich rasch uns anschließt. Er ist mit seiner Freundin und seinem Bruder hier auf Urlaub und würde den Hochkönig schon gerne machen, aber die beiden würden ihn nicht begleiten und alleine mag er auch nicht los. So vereinbaren wir „Um sechs am Parkplatz“. Kurzer Check, ob Ausrüstung und Verfassung passen – sollte gehen. Wir begeben uns ja nicht auf eine Extremexpedition.
Später setzt sich noch die Wirtin, Heidi, dazu. Schnell und ohne viel Luft zu holen, erzählt sie vom Leben am Arthurhaus und vor allem der vierzehn Tage im Jänner, als sie die Einzige war, die sich der Evakuierung des Arthurhauses widersetzt hat: „Die Hütt’n steht seit 400 Joahr, da stets a no amoi 400 Joahr.“. Als dann die Staublawine in der Nacht runterdonnert, fragt sie sich, ob das der Kühlschrank im Keller war, der eh immer ein bisserl laut ist oder doch die Lawine. Da das Ereignis in der Früh auch noch sichtbar wäre, bleibt sie lieber im Bett. Es war die Lawine, deren Druck planmäßig durch einen großen Erdwall vom Haus abgelenkt wurde. Die Lawine hat ihr auch einen 15 Meter hohen Nadelbaum auf den Wall gelegt: „Und i schau auße und denk‘ ma: ‚Hearst, wo is’n der Baam her?!“. Dafür fehlen einige Wirtschaftsgebäude. „Da muass i wieda ‚Schneedruck‘ hi’schreib’n. Dann zoiht’s die Versicherung.“
Der Höhepunkt ihrer Schilderungen ist meines Erachtens erreicht, als sie erzählt wie sie am Abend in ihrer Einsamkeit von einem „Hallo, hallo“ aufgeschreckt wird. Ein Tscheche wurde durch das Licht in der Küche angelockt. Er war den Tag über bei Lawinenwarnstufe 5 unterwegs und wollte nun wieder zu einem Autobus oder ähnlichem. Da weder Deutsch noch Englisch so richtig funktionieren, einigt man sich auf Hände und Füße: „I hob‘ eahm deit, dass er durt ume und dann owe muass. Vor allem, wo er schnö sei soi, weil durt die Lawine gern durchrauscht. Und wenn’s eam dawischt, is‘ er hi‘ und i ko‘ und werd‘ eahm sicher ned ausgrab’n.“.
Für uns läutet um halb sechs der Wecker, die Bedingungen sind optimal: Lawinenwarnstufe 1 bei mäßigem Tagesgang, frischer Schnee von vor ein paar Tagen, wolkenloser Himmel und Temperaturen unter Null. Über 12 Meter Neuschnee hat Heidi in dieser Saison schon gemessen. Daraus haben sich 3,40 Schnee beim Arthurhaus gesetzt. So viel war es schon seit 1966 nicht!
Thomas ist auch schon längst auf und wir starten Richtung Mitterfeldalm. Zum Aufstieg ist nicht viel zu ergänzen. Siehe dazu die dazu dieselbe Tour im April 2018 oder Februar 2019.
Gernots Garmin-Uhr hat Intersport in eineinhalb Wochen nicht liefern können. So muss noch einmal die alte Apple-Watch herhalten. Akku und Gernot halten bis auf den Gipfel aus. Diesmal teilt sich Gernot die Kraft gut ein und achtet auf den Puls, oder er ist einfach fitter als das letzte Mal, oder er hat einen besseren Tag, oder er kennt die Tour schon, oder.. Jedenfalls schafft er es. Wir stehen beim Matras-Haus. Kein Lüfterl weht und wir können Holzbank und -tisch für die Jause nützen. So sitzen wir im März auf knapp dreitausend Meter ohne Jacken in der Sonne, wofür wir auch einen Sonnenbrand kassieren. Na ja, nur zu trinken haben wir nicht ausreichend mit. Alles andere passt.
Der Blick ins Birgkar lässt uns sicher sein, dass wir auch heute nicht diese Variante runterfahren werden. Wir fahren also brav Richtung Arthurhaus ab. Dort, wo die Sonne nur kurz hinkommt, finden wir tollen Schnee vor. An den sonnenbeschienen Hängen hingegen will sich kein Firn bilden bzw. hat der Schatten schon wieder einen leichten Harschdeckel aufgezogen. Aber wir fahren dort, wo die Sonne den ganzen Tag nicht oder nur kurz scheint und haben eine rechte Freude mit den Bedingungen.
Die Gegenanstiege sind der Wermutstropfen an dieser Tour. Zweimal muss man zwischen 2.700 und 2.600m einen Gegenhang hinauf und einmal unterhalb der Mitterfeldalm. Das nervt und strengt an!
Aber da nun Gernot auch oben war, ist der Hochkönig fürs Erste mal erledigt. Fürs Birgkar sind wir zu vernünftig (oder feig). So war es wohl das letzte Mal in dieser Saison, dass wir auf den Hochkönig rauf sind. Wir lassen die Tour noch nach einer ausgiebigen Dusche auf der Sonnenterrasse am Arthurhaus ausklingen, ehe es wieder nach Hause geht.