Die Wahl fällt auf den Hochkönig. Die Gründe dafür sind: „kurze“ Anreise in Relation zur Höhe, gute Bedingungen, und Ferien in Oberösterreich und der Steiermark schließen den Dachstein aus. Ulli kommt auch mit und wird alpin Skifahren – wow!
Das Hotel Bergheimat ist die einzige Unterkunft im weiteren Umfeld, das noch ein Zimmer frei hat. So beziehen wir die Junior Suite, wo Gernot sich mit einem Bett zufriedengeben muss, das nicht viel breiter als eine Massageliege ist. Umso herzlicher ist die Besitzerfamilie. Die Juniorchefin an der Rezeption ringt mit den Worten, als sie hört, dass wir auf den Hochkönig wollen. Sie ist ebenso jung wie quirlig. Die Gedanken arbeiten, ehe ihr ein „Der Opa hat immer gesagt, dass der Hochkönig im Winter scho‘ sehr g’fährlich is‘.“ entspringt. Ihr echten Gedanken sind da vermutlich eher: „Pfau, dann seid’s ehs quasi voi tot!“. Am Abend treffen wir auch noch den „Opa“. Er lacht und wünscht uns einen schönen Tag. Auch die freundliche Chefin legt unserem Bergsteigerfrühstück eine Karte mit aufmunternden Worten bei – wirklich allesamt sehr persönlich für so ein großes Hotel.
Um Halbsechs läutet der Wecker. Nein, die Kanne hat die Espressi nicht warmgehalten. Aber Gernot ist heute stark und eher ich bin es, der über das geschmacklich feine, aber kalte Belebungsgetränk motzt. Um Halbsieben wartet das Taxi schon. Ulli darf weiterdösen, während wir uns zum Arthurhaus hinaufschrauben. Kein Auto parkt noch hier – wir sind wahrlich die Ersten! Es ist erstaunlich warm bzw. wenig kalt. Die Morgenstimmung ist berauschend – siehe Fotos.
Die Mitterfeldalm ist eingeschneit und schlummert noch tief. Das wird noch ein paar Wochen dauern, bis hier allmählich wieder das Leben erwacht!
Kurz nach der Mitterfeldalm werden wir eingeholt. Zwei „Hiesige“ haben es eilig und hirschen an uns vorbei. Und dann ist da noch Jakob, der ebenfalls mit einem Affenzahn aufholt. 24 Jahre ist er jung, also weniger als halb so alt wie wir, und hat schon zwei ordentliche Touren von Sonntag und Montag in den Beinen. Nein, vor wolle er nicht. Wenn’s okay ist, schließt er sich uns an. Ich warne, dass wir für seine Verhältnisse langsam unterwegs sein werden. Das passt für ihn gut. Alleine will er da nicht herumrennen. Er ist schon mal alleine abgerutscht und dabei in so eine blöde Situation gekommen, sodass er sich nicht selbst befreien konnte. Nach eineinhalb Stunden im Tiefschnee hatte er dann Glück und wurde entdeckt.
Die Spur ist in diesem Jahr unvergleichbar besser angelegt als im letzten Jahr. Keine sinnlosen Steilstufen quälen mich. Einzig der Sturm hat oben die Landschaft meines Erachtens dramatisch anders als im Vorjahr gestaltet. Windkolken von einem Ausmaß der anderen Art bringen immer wieder Gegenanstiege, an die ich mich so nicht erinnern kann. Aber irgendwo muss der Schnee dann fehlen und so ist es erstaunlich weit schneefrei.
Schon der Anstieg zum Schoberschartl lässt Gernots Puls hochschnellen. Dort sind wir mittlerweile auf knapp über 2.500m. Eine Pause hilft, ist aber zu kurz, um nachhaltig zu wirken. Die kommenden 250 Höhenmeter kämpft Gernot noch tapfer weiter. Die Abstiege dazwischen sind vermutlich auch zermürbend. Der Puls will nicht runter und das, obwohl wir schon im Nepalschritt unterwegs sind. Gernot meint, dass wir alleine weiter sollen.
Und da passiert das Seltsame: Ich weiß, dass Gernot nur eine Pause von einer Viertelstunde braucht, um wieder zu Kräften zu kommen. Und ich weiß auch, dass man auf knapp 3.000m Seehöhe nicht lange ohne zu frieren warten kann. Trotzdem habe ich schnell Erklärungen für mich parat, warum es diesmal anders ist und Gernot hier ruhig warten kann: Wenn er sich der Puls schon nicht beim super langsamen Gehen beruhigt, dann wird das nichts mehr. Die Sonne scheint und es ist windstill…
Hier am Schreibtisch weiß ich, dass das eine falsche Entscheidung war, aber dort oben entscheiden Jakob und ich, die knapp 200 Höhenmeter noch schnell zu erledigen. Es war sicher nicht gefährlich oder fahrlässig, aber es hat gezeigt, dass man Entscheidungen am Berg leicht mal – nun ja – seltsam trifft. Die Empörung und Fassungslosigkeit der Couchsurfer ist ja dann groß. Möchte nicht wissen, welche Entscheidungen die treffen würden. Mir war es eine Lektion, wieder an Erfahrung reicher!
Am Gipfelhang sehe ich, dass drei Tourengeher aufholen wollen. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass Jakob, der bislang so geduldig mit uns ausgehalten hat, sicherlich nicht mehr überholt werden will. So gebe ich Gas und „laufe“ im Vergleich zum Vorjahr den steilen Schlusshang hinauf. Für Jakob war’s jetzt sicherlich nicht sonderlich beeilt, aber wir kommen uneingeholt beim Gipfelkreuz an. Ich bin jedenfalls gut durch.
Vier andere Tourengeher sind mit uns oben am Gipfel. Die drei Lungauer scherzen, ob denn niemand das Birgkar fahren möchte. Die Fakten dazu sind schon angsteinflößend:
Das ist extrem. Der Blick ins Birgkar, in dem sogar Spuren zu sehen sind, ist von heroben gelinde gesagt beeindruckend. Na, zum Glück müssen wir zu Gernot zurück!
Den Treffen wir auch bald. Wenig überraschend ist ihm kalt geworden, als nach wenigen Minuten ein leichter Luftzug eingesetzt hat. So kommt er uns angezogen wie ein K2-Aspirant entgegen, lacht und ist zuversichtlich, dass er nach dieser Pause nun den Gipfel schaffen würde. Ich glaub‘, Jakob hätte ihn begleitet, aber bei mir will bei der Vorstellung, da wieder raufzugehen, keine Begeisterung aufkommen. Wir fahren ab.
Die Abfahrt ist von einigen pulstreibenden Gegenanstiegen unterbrochen. Treppenschritt oder knietiefes Einbrechen? Beides nicht lecker. Ich schlage hartnäckig vor, dass wir schattseitig abfahren, weil ich mir dort besseren Schnee erwarte. Damit soll ich auch Recht behalten. Nördlich der Schrambachscharte führt meine gedachte Route in einen steilen, mächtigen und unverspurten Kessel. Wir überlegen und wägen ab. Nein, heute sieht es nicht nach Schneebrett aus, wirklich nicht. So kommen wir ins unverspurte Gelände. Das hat etwas, zumal die meisten Hänge hier schon ordentlich verspurt sind.
Der Wiederanstieg zur Mitterfeldalm ist gewohnt mühsam. Im Hintergrund hören Gernot und Jakob von einem der gegenüberliegenden Hänge noch eine Gleitschneelawine runterdonnern. Ein weiteres Argument für die schattige Seite.
Egal, wir haben schon ordentlich Durst und Hunger. Aber auch der letzte Anstieg geht vorbei und wir fahren Richtung Arthurhaus ab. Nur, was ist das? Eine große Gleitschneelawine ist von den Vierrinnenköpfen runter und hat sich über den Almweg gelegt. Die war in der Früh noch nicht da! Da schaust her. Vorbildlich prüft Gernot, ob er mit seinem Piepserl irgendjemanden orten kann. Niemand da, weiter geht’s! Am Abend lesen wir dann, dass es zwei Tourengeher erwischt hat, die aber glimpflich davon gekommen sind.
Im Hotel sind wir zur Jause willkommen. Wir sitzen auf der sonnigen Terrasse, füllen unsere Depots auf und warten auf Ulli. Ihr Handy ist leer und so haben wir wenig Info über ihren Verbleib. Es scheint, ihr aber gut zu gehen. Sie hat Fotos geschickt und gepostet, die auf einen genussvollen Skitag schließen lassen.
Gernot und ich dürfen den Spa-Bereich nutzen, um uns zu duschen. Im Hotel hat sich herumgesprochen, dass da zwei Leute auf den Hochkönig wollen. Wir berichten nicht ohne Stolz.
Na ja, und irgendwann denke ich mir: „Was macht denn Gernot noch so lange im Spa-Bereich?“, während ich mich schon umziehe. Er musste weiter Auskunft geben. Ich war ja nicht dabei, aber stelle mir das wie folgt vor: Gernot steht auf einer kleinen Empore und um ihn scharen sich immer mehr nackte Frauen, die mit ehrfürchtigen Ahhs und Ohhs seinen Ausführungen folgen. Das muss reichlich Lohn für Gernots Mühen gewesen sein! 🙂
Am Heimweg gabeln wir Nina in Hennberg auf und kommen kurz vor neun wieder in Breitenfurt an. Carina hat sich schon mit zwei Eiern selbst versorgt. Ich habe Sorge, dass sie die wohl halbroh zu sich genommen hat. Egal, die Freude über den Besuch aus Oberösterreich überwiegt alles.
Wir haben eine tolle Tour hinter uns. Nicht nur an der Tour, sondern auch an der Tatsache, dass Ulli knapp sechs Wochen nach ihrer schweren OP schon wieder schigefahren ist, habe ich Freude. Edler Ausflug, edler Tag!
Details via Garmin (über 8 Stunden einen Durchschnittspuls von über 130 – schlauch nicht echt!)
Die Tour war fantastisch und sicher auch sehr fordernd für mich 😃
Meine Entscheidung auf euch zu warten, während ihr das letzte Stück zum Gipfel meistert, hat gepasst. Zum einen war es für mich richtig, nicht gleich weiterzugehen. Zum anderen ging es mir ja nach kurzer Zeit auch wieder besser und ich konnte wieder lostraben um mich aufzuwärmen.
Daher alles super. Das machen wir wieder 😃
Aja, und die Story in der Sauna stimmt nur teilweise, obwohl 😃😃😃