Sonntag, 4. August 2024
Schon am Samstag sind wir ins Stubaital angereist, um uns am Sonntag mit einer der ersten Gondeln auf über dreitausend Meter schaukeln zu lassen. Das Gletscher-Skigebiet ist geschlossen. Das könnte am weitgehend verschwundenen Gletscher liegen. Nein, hier heroben lässt sich die Klimaerwärmung nicht leugnen. Kaum ein Gast ist da. In Pflichterfüllung drehen sich die Gondeln und bringen uns nach oben.
Bestens ausgestattet marschieren wir los. Einmal irren wir uns. An der Bergstation eines sich im Sommerschlaf befindlichen Sessellifts erzeugt das Schaukeln eines Hinweisschildes ein Quietschen wie in einem Italo-Western. Ein bisserl trostlos, auch das Wetter will nicht so recht. Würde uns die Sonne ein Loch in den Rücken brennen, würde es auch nicht passen!
Kaum sind wir am Pfaffenjoch und nähern wir uns dem Gletscher, sind die Menschen da. Auch wir seilen uns an. Jede Menge Notfallausrüstung ist dabei, die nie zum Einsatz kommen soll. Wir wandern über den Sulzenauferner unter dem Zuckerhütl. Der Fels am Zuckerhütl ist im Sommer so locker, dass kaum noch jemand im Sommer es besteigt. Ich kann mich an meine Jugend erinnern, in der ich mich in dem steilen Firn, der bis oder fast bis ganz oben gereicht hat, gefürchtet hatte. Der Vater hat damals unten gewartet und ich bin alleine rauf.
Wir lassen das Zuckerhütl rechts liegen und widmen uns dem Wilden Pfaff. Der hat auf der Nordseite noch ein steiles Firnfeld, wo schon ein bisserl das Eis vorschaut. Man könnte auch im Fels gehen, aber wir wollen ja was erleben. Renate ist das erste Mal mit Steigeisen unterwegs und darf sich gleich beim ersten Mal fürchten. Ich habe sie am kurzen Seil. Das macht aus uns eine enge Schicksalsgemeinschaft. Wir würden beide den Firn abrauschen, und im Auslauf ein jammerndes, erbärmliches Bild geben. Passiert aber nicht.
Man kann uns als durchaus erschöpft bezeichnen, als wir den Wilden Pfaff (3.458m) erklommen haben. Ab jetzt geht es fast nur noch bergab. Und wie es bergab geht. In der Tourenbeschreibung stand fast von Schwierigkeit II mit Sicherungen an vielen Stellen. Das ist widersprüchlich und so habe ich es aus meiner Betrachtung gestrichen. Jetzt stehen wir da und starren sehr steil nach unten. In der Ferne sieht man schon das Becherhaus. Das ist wirklich noch ein ganzes Stück. So klettern wir das, was immer es auch ist ab, und staunen nicht schlecht über die heutigen Herausforderungen.
Jetzt noch über den Übeltalferner, an der Müllerhütte vorbei zum Becherhaus. Da kommt uns eine Fünfergruppe entgegen, das Becherhaus ist voll, sie wurden zur Müllerhütte geschickt . Kurz überlege ich Reaktionen, die mir einfallen, wenn das uns widerfährt. Keine ist im Einklang mit dem Strafgesetzbuch. Schauen ma a mal.
Das Becherhaus müssen wir erst noch erklimmen. Ein launischer Klettersteig raubt mir die letzte Energie. Renate geht es besser. Aber so richtig kann sie die Sissy-Stiege zur Hütte auch nicht genießen.
Die Hüttenleute empfangen uns freundlich, den Willkommensschnaps lehnen wir dankend ab. Schon vor dem Abendessen fange ich an, mit einem Kaiserschmarren meine Kohlenhydratespeicher aufzufüllen. Das Abendessen um 19 Uhr ist auch erstaunlich fein. Das Hüttenleben kann beginnen. Das Zimmer ist recht okay, vor allem, wenn man die Höhe bedenkt, auf der die Hütte liegt, immerhin 3.195m.
Montag, 5. August 2024
Für heute haben wir uns die Sonklarspitze (3.450m) vorgenommen. Die Nacht war erbärmlich. Okay, das ist meist in dieser Höhe so. Unsere Uhren meinen, dass wir nicht ganz auf der Höhe sind. Von sportlicher Betätigung wird abgeraten. Renate hat es gestern besser ausgehalten als ich. Die Trainingsbereitschaft ist bei mir bei 1 von 100. Tiefer geht’s nicht.
Wir starten über die Sissy-Stiege und den kühnen Abstieg über die Leiter auf den Firn. Weiter geht es zur Müllerhütte und dann in einem Bogen an den Ostgrat der Sonklarspitze. Von Spalten ist keine Spur. Am Fels des Ostgrat lassen wir Seil und Steigeisen zurück. Nun wird gekraxelt und das ist, nun ja, kurzweilig. Hinauf geht es leichter, das wird im Abstieg spaßig. Renate hat aber eine Routine entwickelt, sodass mir das keine Sorge macht – Respekt!
Uns kommen überraschend viele Leute entgegen. Aber bald sind wir alleine, nur der Wind stört ein bisserl. Nach Jause und Fotos geht es wieder an den Abstieg. Der ist abermals kurzweilig. Renate meistert all das mit Bravour. Wir sammeln Seil und Steigeisen ein und machen uns wieder gletscherfit. Da gehört Disziplin dazu, den Gefahren vermag ich keine zu erkennen.
Der Aufstieg zum Becherhaus ist wahrlich zäh. Die Sonne brennt runter, der finale Anstieg zum Becherhaus gibt einem den Rest. Zumindest sind wir zum Mittagessen da, wovon wir ausgiebig Gebrauch machen.
Um 16 Uhr wollen wir noch auf den Wilden Freiger (3.418m) und die Drohne mitnehmen. Eine Stunde soll der Aufstieg dauern und einfach sein. So wandern wir los. Aber schon bald stellt sich der Anstieg als gar nicht so einfach dar. Renate ist an einer schwierigeren Stelle ein Stück zurück, eine ein bisserl ausgesetzte Stelle trennt uns. Sie schickt mich alleine weiter und lässt sich zu keiner anderen Option als der Umkehr überreden. Gut, die Hütte ist nahe und ich zische alleine weiter – ein bisserl schade ist das schon!
Knapp vor dem Gipfel fallen mir zwei junge Bergsteigerinnen auf. Da spricht mich die eine an, ob ich ihr einen Gefallen tun kann. Ich soll ihren Kontrollpass am Gipfelkreuz abstempeln. Sie war oben, hatte aber den Rucksack weiter unten abgestellt und derart den Pass vergessen. Ihre Freundin wirkt überaus desperat. Hmm, wir waren im Gespräch und ich wurde um einen Gefallen gebeten. Da werde ich nicht nochmals nachfragen.
Am Gipfel angekommen, probiere ich die Drohne aus. Aber sie will nicht. Flugdatenspeicher voll, Sichtsensoren deaktiviert und große Höhe. Mir kommt es vor, als würde sie Ausreden suchen. Das Licht und die Stimmung würden jedenfalls passen. So mache ich mich unverrichteter Dinge wieder an den Abstieg.
Beim Abstieg hole ich die zwei Bergsteigerinnen knapp vor der Hütte ein. Die eine trägt nun einen eindrucksvollen Verband an der Wade. Die Geschichte ist die: schon am Gipfel hat sie beide Sohlen ihrer Bergschuhe verloren, den Abstieg ohne Sohlen gewagt und sich nun bei einem Sturz ordentlich verletzt. Die fehlenden Sohlen und die tiefe Wunde sind zwei ganz starke Argumente für den Hubschrauber. Aber das wollen sie lieber nicht. Ich ringe ihnen das Versprechen ab, dass sie den Hüttenwirt informieren. Der Hüttenwirt macht klar, dass er nicht weiß, was er machen soll, wenn sich die Wunde in der Nacht entzündet. Am nächsten Tag kann sie ohne Sohlen ohnedies nicht absteigen. So kommt der Hubschrauber dann doch noch.
Renate und ich haben uns um je zehn Euro eine Dusche gegönnt und sind damit zumindest äußerlich wieder hergestellt. Zuversichtlich starten wir in die Nachtruhe.
Dienstag, 6. August 2024
Sonnenaufgang bei wolkenlosem Himmel – wow! Für heute haben wir uns eine leichtere Tour vorgenommen. Sie führt über den Übeltalferner zum Botzer Ferner, diesen hinauf zur Botzer Scharte, dann den Ostgrat hinauf auf die Königshofspitze. Runter geht’s über den flachen, namenlosen Ferner und wieder hinauf über den Übeltalferner zum Becherhaus. So weit der Plan.
Der Hüttenwirt wirkt wirklich kompetent. Selbst hat er diese Touren auf alpenvereinaktiv zur Verfügung gestellt. Er erklärt, dass der Aufstieg über den Ostgrat ganz einfach ist. Man muss sich lediglich den Weg suchen, markiert ist da nichts. Der Abstieg über die Westseite ist ein Genuss. Am Internet ergänzt er: „Für Einsteiger und zu Übungszwecken geeignet.“.
Wir sind schon etwas erschöpft von den zwei Vortagen. Doch dann ist Renate wieder eine wunderbare Begleiterin, überwindet sich, und wir steigen auf den Übeltalferner. Eine einzige Spalte stellt sich uns in den Weg. Wir müssen sie umgehen. Das waren die Herausforderungen am Gletscher. Der Klimawandel hat die Gletscher abgeschliffen, und meines Erachtens damit entschärft. Auf anderen Gletschern wird es anders sein. Hier sieht es jedenfalls danach aus.
Der Hubschrauber hat Gletscherforscher in der Früh abgesetzt. Abgesehen von diesen, sind wir ganz alleine in dieser traumhaft schönen Landschaft unterwegs. Wir haben es nicht eilig. Die Tour sollte am frühen Nachmittag erledigt sein. Einige Pausen später sind wir am Botzer Ferner auch schon weit aufgestiegen. Der Aufstieg zur Botzer Scharte scheint wirklich gut machbar zu sein. Und weiter? Aber eins nach dem anderen. Wir steigen über den Firn und die Felsen zur Scharte auf. Renate ist wie immer tapfer, da gibt es kein Murren oder Zweifeln.
Aber bei mir kommt massiver Zweifel auf. Ich sehe bei bestem Willen nicht, wie wir da rauf kommen sollen. Ist der Hang abgerutscht? Loses Gestein türmt sich immer steiler werdend vor uns auf. Okay, es ist nicht weit, aber da gehe ich nicht rauf. Renate schlägt vor, noch ein Stück weiter zu steigen, aber diesmal verweigere ich strikt.
Wann denn der Hüttenwirt das letzte Mal hier war? Ich habe so meine Zweifel. Leicht soll es sein. Ich habe noch seine abweisende Armbewegung in Erinnerung, als er die Schwierigkeit erwähnt.
So sitzen wir auf der Scharte und erfreuen uns des wirklich feinen Jausenplatzes. Einsam ist es und wirklich schön ist es.
Irgendwann steigen wir wieder das Firnfeld und den Botzer Ferner ab. Danach geht es hinauf zum Becherhaus. Wir wählen eine längere, weniger steile Variante. Das Fehlen von Spalten lässt diese sorglose Wegwahl zu. Die Sonne brennt ganz schön runter.
Halt, was ist das? Eine Fata Morgana? Geht da einer mit den Skiern am Rücken in der Ferne alleine über den Gletscher. Alleine am Gletscher! Ha, der wird vom Alpenverein definitiv unehrenhaft entlassen. Mit dem Super-Tele am Handy erkennen wir mehr. Er trägt einen ganzen Bund Stangen auf der Schulter. In der anderen Hand trägt er das Handy, auf das er unentwegt starrt. Irgendjemand muss ihm GPS-Koordinaten aufgeschrieben haben. Die geht er jetzt ab. Hat er einen Punkt gefunden, legt er eine Stange ab. Da komme ich mir in der total professionellen Hochtourenausrüstung ein bisserl komisch vor. Seltsames Gefühl, so als Touri-Puri am Gletscher unterwegs.
Der Aufstieg geht dann besser als an den letzten Tagen. Trotzdem keuchen wir unter der Hütte gewaltig. Auf der Sonnenterrasse werden Kalorien und Getränke nachgefüllt. Die Königshofspitze haben wir nicht geschafft, aber es war trotzdem ein toller Tag in den Bergen.
Bis zum Abendessen spielen wir noch zwei Runden Würfelpoker. Sachen macht man, wenn man nicht viel machen kann. Ich staune.
Die Hütte ist nicht mehr so voll, wir bleiben zu zweit in unserem Zimmer. Das Essen ist gewohnt gut, und so könnte der Tag gemütlich ausklingen, wäre da nicht der Wetterbericht für morgen, der heftige Gewittern ab 14 Uhr mit hoher Wahrscheinlichkeit vorhersagt. Diese Gewitter waren schon von Anfang an für Mittwoch angekündigt, aber nun hat die Intensität zugenommen. Bei Renate kommt Unruhe auf. Auch ich habe keinen Funken Lust, bei Gewitter auf einem Grat oder Gletscher zu sein. Ich will nicht einmal das Regengewand anziehen. Das ist eine Schwitzerei, auch wenn es die besten Materialien sind, die man momentan kaufen kann. So schlage ich vor, dass wir um sieben Uhr starten, da jede halbe Stunde zählen könnte. Renate nickt und Gute Nacht.
Mittwoch, 7. August 2024
Die Nacht war schlaftechnisch nicht viel besser als die vorigen. Es hat geblitzt und gedonnert. Um 05:30 läutet der Wecker und augenblicklich steht Renate in voller Montur im Zimmer. Oha, ich bin beeindruckt. Für gewöhnlich dauert es eineinhalb bis zwei Stunden vom Aufwachen bis zum Aufbrechen. Alleine brauche ich eine Stunde – verlässlich durch viele Ereignisse belegt. Egal, heute hat es jemand eilig.
Frühstück, Rucksack packen, Zähneputzen und Zahlen. Renate legt Professionalität an den Tag, ich staune, mir soll es recht sein. Um sieben Uhr sind wir unterwegs – okay, sind auch eineinhalb Stunden, aber mit mehr notwendiger Vorbereitung als sonst. Wir starten Richtung Westen zur Müllerhütte. Eigentlich ein traumhaftes Wetter, wäre da nur nicht die große Gewitterwolke im Westen. Ich tippe und hoffe sehr, dass die aufgehende Sonne diesen bedrohlichen Amboss auflösen wird. Wetterberichte sind über die Jahre wirklich gut geworden! Nur sehe sehe ich auch nicht weit nach Westen. Was, wenn dort noch mehr labile Luft nachkommt. Wir haben keinen Plan B. Da gibt es also unschöne Szenarien. Nasser Fels, Gewitter am Grat oder Gletscher,.. Vielleicht schaffen wir es auch knapp zur Seilbahn, die dann aber wegen Unwetter eingestellt ist.
Wir wollen uns nicht in Panik reden und überlegen nur die eine oder andere Option. Renate bleibt cool und entspannt, das ist wirklich sehr angenehm!
Ein weiterer Vorteil ist, dass sie ein Tempo vorlegt, dass ich sie bremsen muss. Schon nach 45 Minuten sind wir an der Müllerhütte vorbei. So ein Tempo halten wir mit den schweren Rucksäcken sicher nicht durch.
Bald steht der Pfaffengrat an, der uns am Sonntag im Abstieg so überrascht hat. Rauf geht es leichter als runter. Die Kletterei ist wirklich eine Freude. So weit, so gut! Die Gewitterwolke hat übrigens gegen die aufgehende Sonne verloren. Auch das sieht gut aus. Und dann überholen wir noch ein junges Paar. Die junge Frau geht am kurzen Seil. So sind sie doch recht langsam unterwegs. Für sie ist es die erste Hochtour. Das ist wahrlich tapfer. Wir vereinbaren, dass das schnellere Paar bei der Seilbahn bekannt gibt, dass noch jemand unterwegs ist. Und ich hoffe doch sehr, dass wir es sind, die Bescheid geben werden.
Renate zischt den Grat hinauf und keucht wild. Die Höhe, durchgehend über 3.000m, fordert ihren Tribut. Und dann das Juchhu, wir sind am Wilden Pfaff. Das heißt, Klettern am nassen Fels bleibt uns schon mal erspart.
Vom Wilden Pfaff wählen wir die Normalroute im Abstieg und lassen das steile Firnfeld aus. Auch das Zuckerhütl und andere günstige Dreitausender ziehen unberücksichtigt an uns vorbei. Renate hat einen gut unterdrückten, aber auch unübersehbaren Zug zum Ziel.
So geht sie vor und ich hinten nach. Wie viel Schnee die Sonne in den letzten drei Tagen weggefressen hat! Ich schaue links, ich schaue rechts und plötzlich ist unter mir nichts mehr. Mit dem rechen Bein bin ich zur Gänze eingebrochen. Renate macht völlig automatisiert, was man in so einer Situation machen muss. Sie zückt das Handy. Aber Mist, das will dauernd ein Video machen und kein Foto. Wenn der Rest der Schneebrücke nachgibt, fliegt sie mir mit ihrem Handy hinterher. Okay, das ist unwahrscheinlich, aber trotzdem will ich da raus. Die Fotografin gibt ihr Okay, und ich ziehe mein zwischenzeitlich gut gekühltes Bein aus dem kalten, feuchten Schneeloch.
Dann ist auch der Gletscher schon aus, wir sind wieder am Pfaffenjoch. Wir werden auch nicht bei Gewitter am Gletscher stehen. Jetzt drohen nur noch eine Regenwanderung oder eine eingestellte Seilbahn. Da gönnen wir uns doch glatt eine Pause mit Jause.
Die weiteren Teile der Strecke ziehen problemlos vorbei. Müdigkeit macht sich breit. Wir sind im Skigebiet angekommen und müssen noch zur Seilbahn aufsteigen. Hart, aber machbar.
Der Himmel ist mittlerweile bedeckt, das Wetter hat zugezogen. Oben bei der Aussichtsplattform und der Gondel stehen ausreichend Menschen. Das wird sich ausgehen. Wir treffen auf ein junges Paar aus Holland. In kurzen Hosen und Turnpatschen wurden sie von der Gondel auf 3.200m ausgespuckt. Wo wir denn herkommen? Ah, die Müllerhütte! Dort wollen sie hin, aber es ist wohl schon zu spät heute. Wie bitte? Was bitte? Ich bin zu müde. Alternativ gehen sie eben nur bis zur Hildesheimer Hütte. Nein, da kommt keine Hütte. Was soll der Blödsinn? Nein, eine Karte haben sie nicht. Jetzt erbarmen wir uns doch. Ein Blick aufs Handy sagt, dass sie falsch gegangen sind. Sie müssen zurück zur Gondel und dann einen anderen Weg nehmen, der aber auch über den Gletscher führt. Fasziniert schauen sie auf mein Handy. Ja, haben die denn gar nichts mit! Ob man auf dem richtigen Weg Steigeisen braucht? Na ja, sieht nicht so steil aus, aber ohne Grödel wird es nicht gehen. Man braucht nur 45 Minuten. So steht es am Schild bei der Bergstation. Schon, aber am richtigen Weg und in die richtige Richtung. Und in Turnschuhen? Geht’s noch? Mir wird die Diskussion zu anstrengend, die Reserven sind wirklich aufgebraucht. Eine Frage noch: ob ich glaube, dass es zu regnen beginnen wird. Na ja, der Wetterbericht sagt, ab 14 Uhr und es ist 13:30. Mag sein, dass es sich verzögert. Auch, wenn ich so alt bin wie die beiden zusammen, kann ich den Regen nicht riechen, sorry!
Ich überlege kurz, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass wir hier auf einen Extremfall getroffen sind. Das wird eher die Regel als die Ausnahme sein. Wir starten zur Bergstation. Die Niederländer bleiben zurück. Wir haben den Weg verloren und mein Anstieg ist ihnen zu steil. There must be another route! Alles Gute!
Mit leeren Batterien kommen wir bei der Bergstation an. Renate hat so professionell durchgehalten, aber jetzt hält sie nichts mehr. Sie will runter vom Berg. Wir stolpern in eine freie Gondel und abwärts geht es. Die Dresdner Hütte bei der Mittelstation bietet sich für ein Mittagessen an. Aber die ersten Tropfen fallen schon. Nein, gleich bis runter zum Auto, ohne weiteres Risiko, kompromisslos! Alles ist gut gegangen. Für uns zumindest, denn nach ein paar Kilometern im Auto schüttet es abenteuerlich. Wie sich das in Turnschuhen in über 3.000m abfüllen muss? Ich weiß es nicht, und will es auch trotz feiner Ausrüstung, soweit möglich, vermeiden.
Für uns gehen vier intensive Tage zu Ende. Ich habe in Renate eine herausragende Begleiterin gefunden. Das kann ich gar nicht oft genug erwähnen. Jepp, so ist es!
Wir fahren nach Lans bei Innsbruck zum Isserwirt, wo wir um 17:30 Abendessen und danach unmittelbar in Tiefschlaf verfallen. So soll es sein! Nach einem Spaziergang in Innsbruck rollen wir nach Salzburg, wo Renate mit ihrer Freundin die Festspiele besucht. Ich liege im Bett. Entweder habe ich mir einen neuen Virus in der Gondel eingefangen oder der alte Virus war so freundlich, die vier Tage zu pausieren. Den Stadtspaziergang in Salzburg absolviere ich noch einigermaßen würdevoll, das geplante Essen mit Renates Freunden lassen wir besser ausfallen.
Fazit
- Renate ist eine wahrlich tapfere und Ruhe bewahrende Partnerin, auf die ich mich voll verlassen kann. Vielleicht habe ich das schon erwähnt.
- Drei Nächte und vier Touren in vier Tagen sind anstrengend, wirklich anstrengend für uns.
- Die Stubaier Alpen sind ein tolles Tourengebiet, auch wenn sie durch den Klimawandel einiges an Strahlkraft verloren haben.
- Das Becherhaus ist toll geführt und auf jeden Fall einen Besuch wert. Die Lage ist beeindruckend und einmalig.
- Die Müllerhütte wäre für uns besser gelegen. Wir hätten uns einige Wegzeiten gespart. Nach Angaben anderer Bergsteiger war die Hütte in diesen Tagen wenig besucht. Ob das immer so ist, kann ich natürlich nicht sagen. Die Hütte soll ebenso wie das Becherhaus gut und freundlich geführt sein.