Endlich ein Hochdruckgebiet! Es geht in den Lungau ins Lerchpeuntgut. Die 3.000er haben noch zu viel Schnee, aber hier sollte schon was gehen. Für den ersten Tag habe ich das Roteck ausgesucht und so starten wir vom Prebersee.
Die Preberhalterhütte ist bald erreicht. Hier wird nach links in den Preberkessel abgebogen. Recht einsam ist es und auf jeden Fall landschaftlich überaus schön. Ehe es steil wird, jausnen wir. Das Internet sagt (aktuell), dass wir Kohlenhydrate nachzufüllen haben. Das wird gemacht. Vis-a-vis gibt es unentwegt Steinschlag. Die Sonne schmilzt den Schnee, Wasserfälle beleben die Idylle, das Wetter passt. Besser könnte es nicht sein.
Die Route führt zum Mühlbachtörl hinauf. Der Weg wird nun deutlich steiler, aber alles unaufgeregt. Selbst die Umgehung der Schneefelder ist nicht sonderlich spannend. Am Mühlbachtörl geht es rechts über den Jakob-Reicher-Weg auf den Preber und links aufs Roteck. Der Pfad wird nun nochmals schmaler und offenkundig kaum begangen. Ein Hinweisschild warnt vor anstehenden Unannehmlichkeiten. Gelesen habe ich von ein paar kurzen IIer-Stellen, einmal Abklettern und Ausgesetztheit. Auch das Fehlen einer Markierung ist erwähnt. Zumindest das stellt sich am Beginn der Tour als nicht richtig heraus. Hier sind sehr wohl rote Punkte, sogar weiß umrandet. Die erste IIer-Stelle fordert uns auch nicht. Vorsichtigen Schrittes arbeiten wir uns vorwärts. Dann sehen wir den Gipfel erstmals. Ui, der ist aber schon noch weit. Aber das schaffen wir schon. Immerhin habe ich als Überraschung den Verlobungsring mit.
Und dann ist es auf einmal aus. Schneefelder versperren den Weg. Die sind so steil! Gingen da nicht alte Spuren hinüber, wäre ich sicher, dass wir den Weg verloren haben. Aber da ist nichts zu rütteln, wir stehen bei einer Markierung und erkennen am anderen Ende der Schneefelder den Weg. Ich pack‘ das alles nicht. Wie kann denn der Schnee da halten? Ich versuche einen Schritt. Der Schnee ist extrem weich und nass. Vielleicht ist er das nur am Rand und in der Mitte wird es besser. Aber schon der erste Schritt! Unsere Grödel sind auch keine Option. Die würden in dem weichen Gatsch genau gar nichts helfen. Weiter oben im Schneefeld sieht man Spuren, aber angenehmer sieht es dort auch nicht aus. Renate mahnt zur Vernunft, ich will überlegen. Selbst Steigeisen und Pickel hätten mir diesmal keine Zuversicht geschenkt. Der Schnee scheint grundlos und weich. Okay, wir haben eh nur Grödel und Stöcke mit. Damit wird es sicher nichts. Soll das ein Zeichen sein für mein Vorhaben?
So schnell gebe ich nicht auf. Vielleicht kann man ja oben am Grat umgehen. Am trockenen Felsgrat ist leicht klettern, aber es widerspricht halt meiner Regel „Bleib‘ am Weg!“. Nach 80 Meter gebe ich auf und kehre wieder zur wartenden Renate zurück. Wir steigen in die Scharte ab und packen den Preber. Was soll’s?
Der Anstieg ist landschaftlich recht schön und technisch keine Herausforderung. So schaffen wir es auf den 2.740m hohen Preber, den Hausberg der Tamsweger. Hier sitzen zwei Bergsteiger und genießen die Aussicht. Bald wird es da heroben ruhig sein. Ein schönes Bankerl hat man hier aufgestellt. Sehr passend für mein Vorhaben, finde ich.
Renate weiß von der anstehenden Verlobung, denn den Ring haben wir gemeinsam ausgesucht. Sie war schon ungeduldig mit meiner Langsamkeit. Ich habe mir aber das Recht ausbedungen, entscheiden zu dürfen, wann und wo ich den Antrag mache. Der letzte Vorwand war, dass wir den Moment mit der Drohne filmen. Nur die Drohne ist heute nicht mit. Als weitere Maßnahme habe ich die leere Verpackung im Schrank in Breitenfurt gelassen. So sitzen wir also nebeneinander auf der Bank, ich krame im Rucksack, stell die Ringbox gut verpackt in der Objektivtasche auf die Bank. Renate schaut mir zu, kommentiert alles Mögliche, wundert sich kein bisschen. Dann werde ich zu unvorsichtig und stelle die Box so auf die Bank und will mit meinem Antrag beginnen. Ah, jetzt weiß sie schnell, worum es geht. Und ein paar Augenblicke später sind wir verlobt.
Wir posten Fotos von unserer Verlobung. Als erstes werden die Familiengruppen versorgt. Ein Herzerl von Carina als Antwort kommt ungewöhnlich schnell, und ein paar Minuten später läutet das Telefon. Jasmin ist es – oha! Aber WhatsApp hat sie nicht angeschaut. Ihr Anliegen ist eher das Auffüllen ihres Bankkontos. Okay, die Welt ist gleichgeblieben. Alles im Lot!
Nach dem Verkünden unserer Verlobung auf WhatsApp kommen die ersten Gratulationen. Sehr fein! Und während wir uns da so freuen, kommt eine Tamswegerin den Berg herauf gelaufen. Sie ist wohl ein paar Jahre älter als wir. Auffallend sind ihre Fitness und ihr Lippenstift. Wir kommen ins Gespräch und schießen auf ihren Wunsch ein Gipfelfoto von ihr. Spontan schießt es aus Renate: „Und wir haben uns gerade verlobt!“. Da freut sie sich und erwidert: „Und ich habe am Freitag spontan geheiratet!“. Da staunen wir nicht wenig, lachen und unterhalten uns prächtig. Die geteilte Freude ist wahrlich eine vielfache Freude. Sachen gibt’s! Sie erzählt uns ihre Geschichte. Ja, das Leben ist spannend und bietet so viele Facetten. Hier heroben ist in dem Moment alles mehr als gut!
Ehe ich emotional abhebe, hält mich meine Nüchternheit, die mich bislang durchs Leben geführt hat, am Boden: „Wenn sie jetzt noch zufällig Standesbeamtin ist, dann hat’s was.“. Aber dem ist nicht so, sie meint noch, dass es gut war, dass wir am Roteck umgedreht haben. Ein ganz böser Berg ist das, der schon viele Opfer gefordert hat. Sie war schon unzählige Male am Preber aber erst einmal am Roteck. Dann zischt sie wieder den Preber hinunter.
Auch wir machen uns an den Abstieg. Über die Schneefelder geht es angenehm Richtung Preberhalterhütte. Dort gönnen wir uns eine Jause. Der Hüttenwirt bestätigt, dass das Roteck mittlerweile lieber verschwiegen wird. Selbst auf den Wandertafeln ist es gelöscht. Auch Einheimische verunglücken an dem Berg. Wir haben besser daran getan umzudrehen. Speziell beim Rückweg verliert man leicht die Orientierung. Wow, der Berg ist sagenumworben.
Jetzt noch das letzte Stück zur Ludlalm, wo das Auto wartet. Eine wahrlich eindrucksvolle Tour an einem ganz besonderen Tag endet. Auch im Lerchpeuntgut freut man sich aufrichtig mit uns und gratulier. Aber man weiß ebenfalls von vielen Unfällen und Verunglückten am Roteck. Wir haben alles richtig gemacht. Und plötzlich ist sie wieder da diese Nüchternheit und ich schaue im Internet nach. Das kennt immerhin zwei Unfälle und einen Einsatz der Bergrettung.
Wie auch immer, wir lassen den Abend bei einer Flasche Champagner ausklingen. So soll das sein, frisch verlobt!
Renates Tour auf garmin – Mein Tour ist auf mysteriöse Art und Weise verschwunden, kein Scherz! Das ist nun das erste Mal passiert!