Lydia gönnt sich nach Projektende eine Woche Auszeit und so treffen wir uns am Mondsee. Renate, Mio und ich kommen aus dem Osten, Lydia aus dem Westen. Für den ersten Tag haben wir uns den Klettersteig auf die Drachenwand vorgenommen. Das ist ein Klettersteig der Schwierigkeit C bzw. C/D, wenn man die Hängebrücke umgeht. Das klingt nicht schwer und sollte als Einstieg passen. Die Berge in der Umgebung sind ordentlich angezuckert. Facebook sagt, dass der Steig und der Abstieg schneefrei sind. Das Wetter passt, und es ist Montag. Das sollte also alles perfekt passen.
Der Parkplatz lässt vermuten, dass hier an Wochenenden und Feiertagen die Hölle los sein muss. Aber an diesem Montag ist wenig los. Statt den Leuten ist der Wasserfall da. Beeindruckend fällt er neben dem Steig nach unten. Lydia hat sich ein Klettersteigset und neue Bergschuhe geleistet. Los geht’s!
Schwierigkeit B soll das hier neben dem Wasserfall sein? Da schau her! Das erscheint uns aber schwieriger, wenngleich auch nicht schwer. Aber wenn das B ist, dann…?
Am oberen Ende des Wasserfalls holen wir uns beim Überqueren desselben gleich mal nasse Füße. Nachdem Renate rechts durchs Wasser ist, möchte ich Lydia vorzeigen, wie das hier ein echter Bergfex angeht und steige dabei prompt ins Wasser, verheddere mich in den Armen des Klettersteigsets und mache, kurz gesagt, keinen guten Eindruck. Nach Lydias Überquerung, ebenfalls satt im Wasser, steigen wir also mit gut gekühlten Hufen weiter.
Steil ist das da, lang ist das da! Etwas überraschend, aber noch nicht wild. Ich hätte aber schon eher mit einem leichten Herumkraxeln gerechnet, als mit einem ordentlichen Klettersteig.
Renate steigt forsch vor. Gelegentlich hört man ein zuversichtliches „Ich schaff‘ das!“ und „Ich kann das!“ von oben. Dahinter folgen Lydia und ich in respektvollem Abstand. Habe ich schon erwähnt, dass der Steig länger als erwartet ist? Dann sind wir bei der Abzweigung. Rechts die kühne Hängebrücke, links die Umgehung in C/D mit guten Möglichkeiten, die Damen auf der Brücke zu fotografieren. Auch das C/D hat es in sich, hält mich aber nicht auf und ich hänge fotobereit in der Wand.
Vis-a-vis sehe ich die Leiter, die um den Felsen biegenden Damen und ein vertrautes „Boah! Na, bravo!“. Aber die Damen sind kein bisserl zögerlich. Renate fragt, wo man sich denn da einhängen soll. Mit der Beantwortung tue ich mir aus der Ferne schwer, aber die Frage war wohl ohnedies rhetorisches Stilmittel, denn schon ist sie über dem Abgrund unterwegs. Fotos werden geschossen, ehe Lydia ebenso vorgeht. Aha, ich staune. Mir soll es recht sein
Wir klettern weiter und der Steig ist doch länger als erwartet. Aber das habe ich schon weiter oben geschrieben. Allzu endlos können 385 Höhenmeter jedoch nicht sein und so sitzen wir bald nach ein paar Gipfelfotos oben und genießen unsere Jause. Der Ausblick auf den Mondsee ist eine Freude. Ein paar Fotos schießen wir noch beim Drachenloch. Schwindel ist den beiden Damen fremd. Ich bin nicht ganz so sicher, ob ich da ebenso entspannt auf dieser ausgesetzten Felsbrücke gestanden wäre. Die Fotos gelingen jedenfalls.
Dann kommt noch der Abstieg, vor dem am Internet so eindringlich gewarnt wird. Heute ist es trocken und wir vermögen die Gefahr nicht zu erkennen. Nach dem Gegenanstieg werden die Schilder eindringlicher. In allen Varianten wird gewarnt, wie verheerend ein Sturz hier wäre. Aber es ist trocken und so sehen wir uns auch hier keiner sonderlichen Gefahr ausgesetzt. Dass es trocken ist, ist eigentlich paradox, denn der Wasserfall, der im Sommer ganz versiegt, ist dieser Tage sehr gut gefüllt.
Wir erreichen jedenfalls das Auto unbeschadet. Bei der Jüngsten in der Runde zittern die Oberschenkel gewaltig. Da muss eine Ladung Magnesium nachgefüllt werden. Bei der zweitjüngsten Teilnehmerin schnalzt 50 Meter vor dem Auto das Knie und so werden es noch anstrengende 50 Meter für Renate. Wir danken es wem auch immer, dass das nicht mitten im Steig passiert ist. Uppsi!
Alles andere war und ist fein. Mio hat den Tag bei einer Betreuerin am anderen Ufer des Sees verbracht. Obwohl auch andere Hunde zu Besuch da waren, war Mio wohl fad. Das vermute ich unbestätigt, denn wie so oft schweigt er dazu. Er freut sich jedenfalls, dass wir wieder da sind und wir freuen uns über einen spannenden und leicht unterschätzten, aber letztendlich souverän gemeisterten Klettersteig.