Ein langes Wochenende in Palermo ist doch etwas Feines! Wir wollen Sizilien besuchen. Diesmal werden wir aber nicht von Stadt zu Stadt fahren. Ein langes Wochenende ist uns dafür zu kurz und so beschränken wir uns auf eine Stadt. Damit kann man einerseits nicht behaupten, Sizilien gesehen zu haben, aber anderseits auch einen Zeitverlust durch Herumreisen vermeiden. So genießen wir eben Palermo.
Untergebracht sind wir im Grand Hotel et Des Palmes. Hier fand 1957 ein Gipfel der Mafia statt. Der soll vier Tage gedauert haben – genauso lange wie unser Aufenthalt. Wer wohl in unserem Zimmer übernachtet hat? Hoffentlich war man damals in der Küche des Restaurants, das sich im Stock über unser Suite befindet, mit dem Herumschieben von Inventar rücksichtsvoller als während unserem Aufenthalt. So ein gestresster Mafia-Boss hätte wahrscheinlich nicht so geduldig zugewartet. Na ja, die Zeiten ändern sich.
Palermo haben wir punktuell besichtigt. Das heißt, wir haben es uns gut gehen lassen. Renate hat das Michelin-Essen im Gagini ausgewählt und ich per Zufall authentisches Essen in Mondello, dem schönen Strand in der Nähe Palermos. Während im Gagini nur Touristen das herausragende Essen genossen, waren wir in der Trattoria L’angolo in Mondello die einzigen Touristen. In der Trattoria wurden alle Klischees erfüllt. Temperament, Lebensfreude, Lautstärke und wir mit einer Flasche Weißwein bei authentischem, italienischem Essen mittendrin.
Zwischen den Essen verbringen wir die Zeit mit Spaziergängen in der Stadt und am Strand. Ruhig kommt es mir hier vor. An einem Tag regnet es, da ist es extra ruhig.
Die Herren von 1957 müssen fit gewesen sein. Zumindest ist der Fitnessraum beeindruckend. Wir machen davon als einzige Gäste ausreichend Gebrauch. Sehr angenehm!
Natürlich sehen wir auch die Kathedrale Maria Santissima Assunta. Diese ist überraschend schlicht innen. Wie auch das Hotel sind Fassade und Empfang ein bisserl beeindruckender als der Rest. Möglicherweise wurde da Geld von den anfangs erwähnten Herren in den Fitnessraum abgezweigt. Alles möglich, wenngleich unwahrscheinlich.
In der Kathedrale befindet sich vor dem Altarraum eine horizontale Meridianlinie und fungiert als Sonnenuhr. Man kann nicht nur die Tageszeit ablesen sondern auch, in welchem der zwölf Sternbilder sich die Erde auf ihrem ein Jahr dauernden Weg um die Sonne gerade befindet. Wir sind zu Mittag hier, die Erde sollte in das Sternbild des Stiers eintreten. Zufällig habe ich um halbeins einen Platz an dem im Marmorboden eingelegten Messingstreifen eingenommen. Menschen hängen ihren ReisegruppenleiterInnen an den Lippen, die wild gestikulierend auf den hell erleuchteten Fleck rechts von mir am Boden zeigen, und dabei ihr astronomisches Wissen mit großer Gestik zum Besten geben. Da erkenne auch ich die Sonnenuhr und aus Zufall wird fast Absicht. Der helle Fleck ist ganz in der Nähe des Stiers – das passt. Aber, dass sich das mit der Linie bis 13 Uhr (Anm.: es ist ja Sommerzeit) ausgehen soll, bezweifle ich. So sitzen wir da und beobachten den Fleck, der sich der Linie überraschend schnell nähert. Gelegentlich muss ich einen Touristen verscheuchen, weil sich dieses nicht so helle Touristenlicht zwischen den Boden und den Auslass in der Kuppel der Kathedrale schiebt. Und dann ist es 13 Uhr, aber der helle Sonnenfleck nicht exakt auf der Linie. Also, er ist um zwölf bis 15 Zentimeter von dem Platz entfernt, wo er meines Erachtens sein sollte. Echt jetzt, eine Fertigungstoleranz von diesem Ausmaß?! Ich meine, dass sich plötzlich und speziell die italienischen Reiseführer anderen Sehenswürdigkeiten widmen. Dabei ist doch die Frage so spannend: Es ist astronomisch 12 Uhr und die Sonne steht nicht symmetrisch über der Linie? Ich möchte den Architekten, den beratenden Astronomen oder sonst einen Verantwortlichen sprechen. Oder eiert die Erde gar um die Sonne und wird in sechs Monaten um die gleiche Distanz zur Meridianlinie auf der anderen Seite versetzt stehen? Hallo, ich habe Fragen! Aber niemand hat Interesse. Ich hätte sogar Vorschläge, wie man diesen Missstand korrigieren könnte, ohne dass man die Kuppel abtragen oder den Boden aufreißen muss. Aber niemand teilt meine Empörung. Renate lächelt milde und gibt sich interessiert. Muss sie ja – zwangsläufig. Aber ich bleibe unverstanden zurück. Vielleicht hat eine Künstliche Intelligenz eine Antwort. Doch die erfindet ja angeblich die Antworten, wenn die Frage nur absonderlich genug ist. Wer mir weiterhelfen kann, möge mir eine Nachricht zukommen lassen. Aber ich will eine Antwort und keine tröstenden Worte!
Bis auf diese Konfusion und die Tatsache, dass man von Taxlern übers Ohr gehauen wird, selbst wenn man Uber verwendet, verdient das Wochenende das Prädikat tadellos. Den Italienern scheint es jedenfalls egal zu sein, ob die Linie nun ein paar Zentimeter links oder rechts liegt. Die haben lieber eine gute Zeit in der Trattoria mit Freunden. So bleibt mir Palermo als überaus lebensfrohe Stadt in Erinnerung.
Und sollte mal jemand das Thema der falsch gehenden Sonnenuhr anpacken wollen, ich hätte ein paar Ideen!