Was im Kurs erlernt wurde, muss gefestigt werden. Renate sucht sich das Wilde Gamseck aus und wählt damit den klassischen Weg der Ostender Bergsteigerlaufbahn. Gerne hätte ich die erste Stufe dieses Weges übersprungen und wäre gleich in den Akademikersteig. Doch auch wenn mich der lange Zustieg und ebenso lange Abstieg nicht so reizen, so werden sie uns fitter machen. Soll sein.
Wir parken in Hinternasswald und wandern los. Bei der Gamseckerhütte wartet eine Gams. Nein, flüchten kann sie nicht mehr. Sie hofft, dass wir an ihr vorbeiziehen werden. Das tun wir auch. Das arme Viecherl hat den Winter überstanden und steht nun etwas lädiert da. Zumindest kann es sich, sofern es denn dazu noch in der Lage ist, am saftigen Grün erfreuen.
Nach zweieinhalb Stunden ist, wie in der Literatur angegeben, der Einstieg erreicht. Man kommt an der Wand in einer gewissen Demut an, wenn man nicht sonderlich fit ist. Der Anstieg ist in unserer aktuellen Form ein bisserl zach. Wir gönnen uns eine Pause und wärmeres Gewand, ehe es in die Wand geht. Renate debütiert in ihrer Kletterkarriere tadellos. Anfangs noch ohne Seil denke ich schon, dass wir das Kletterzeug wieder einmal umsonst herumtragen, aber dann türmen sich scheinbare Schwierigkeiten vor uns auf, an die ich mich gar nicht zu erinnern vermag. Ich meine gar, die „Schlüsselstelle“ schon hinter uns zu haben. Das ist aber nicht so wichtig, denn es bietet sich die Möglichkeit, Erlerntes anzuwenden, und das hat immer seinen Reiz.
Auch für mich hat der Kurs einiges gebracht. Bislang habe ich die Sachen sicherlich nicht falsch gemacht. Aber es war halt aus der Erfahrung bzw. aus dem Selbststudium. Nun habe ich Selbstvertrauen, und die Übungen laufen wie am Schnürchen. So soll es sein. Die Schwierigkeiten sind nach ein paar Metern zu Ende und so können wir uns aufs Üben von Mehrseillängen konzentrieren. Renate nimmt eine Seillänge gar im Vorstieg. Schwer ist der Steig jedenfalls nicht, Renate erlebt keine Schwierigkeiten.
Bei der Bodenalm gibt es eine längere Pause mit selbst mitgebrachter Jause, ehe es durchs Bärenloch zurückgeht. Auch der Abstieg ist lange. Für eine von uns beiden sogar überraschend, ja fast nervig, lange. Hmm? Schon unten auf den letzten Kilometern geht Renate ohne Schuhe. Der Fußballen schmerzt so sehr. Ich staune. Nun bin ich seit 50 Jahren in den Bergen unterwegs, aber das habe ich noch nie gesehen. Vielleicht ist das der Grund, dass es mich auf dem flachen Forstweg hinwirft. Die schöne Hose und meine Haut haben ein paar Löcher. Renate zieht vor Schreck wieder die Schuhe an und absolviert ohne Murren den letzten Kilometer. Geht ja! 😉
Nach sieben Stunden Gehzeit sind wir wieder beim Auto. Nur beim Start in der Früh hatten wir einen Bergsteiger gesehen. Die restliche Zeit mussten wir uns beide genug sein. Fein war’s!