Gebirgsvereinsteig

Der Herr Doktor hat’s erlaubt. So machen wir uns auf den Weg zum Seiser Toni. Renate hat ein mulmiges Gefühl. Sie sagt meinetwegen. Ich bin sicher, dass mir der Anstieg nichts machen wird. Der Abstieg könnte halt spannend werden. Denn Bergabgehen ist noch immer die Herausforderung mit dem neuen Hüftgelenk!

So ist jeder auf sein eigenes mulmiges Gefühl konzentriert und wir wandern los. Krücken habe ich nicht mit. Ich hätte sie ja beim Einstieg stehen lassen und von dort wieder holen müssen. Das ist doch mühsam. So nehme ich zumindest die Stöcke für den Abstieg mit. Man weiß ja nie. Das gäbe im Falle eines Falles auch so viele Fragen bei der Bergrettung und der Versicherung.

Im Steig sind drei Männer vor uns, die wahrlich langsam unterwegs sind. Es staut gar an diesem Wochentag. Zwei geduldig wartende Bergsteigerinnen aus dem Osten lassen uns den Vortritt und so steigen wir in die Gelbe Wand ein. Das Hüftgelenk macht überhaupt keine Probleme. Die großen Schritte, sofern denn überhaupt welche von Nöten sind, lasse ich dem nicht operierten Bein. Bei meiner Fokussierung auf mein Handicap vergesse ich ganz auf Renate. Die steht plötzlich an. „Wie komme ich da jetzt weiter?“. „Na ja, so wie du bis hierher gekommen bist. Immer dem Seil entlang.“. Meine jahrelange Erfahrung sagt aber, dass solche Aussagen wenig hilfreich sind. Ich steige wieder ab. Ja, auch das geht. Nun steigt Renate vor. Alles geht.

Ich bekomme ihr Schnaufen mit, aber nicht ihre Anspannung. Die überspielt sie gut. Ich blödle in meiner Freude herum. In dieser Konstellation schaffen wir den Steig mit seiner Hängebrücke, der Strickleiter, etc.. Sind wir zu schnell, so bremst uns das Dreiergespann vor uns. Und dann ist es auch geschafft. Renate freut sich. Ich weiß nicht, ob das jetzt gespielt ist. Nein, sie freut sich ehrlich. Ich freue mich vor allem darüber, dass ich so früh wieder nach der OP in die Berge kann, aber halt leiser.

Vor kurzem wurde übrigens ein Einsatz der Bergrettung ausgelöst, weil sich ein Kletterer zu laut gefreut hat. Diesmal war es aber nicht so. Zumindest bekommen wir nichts mit. Wir gehen weiter zur Wilhelm-Eichert-Hütte und vor allem ich völlere bei den neuen Pächtern.

Der Abstieg über das Zahme Pechersteiglein geht für mich überraschend gut. Kurz, alles gut. Im Auto sagt dann Renates Aufzeichnung, dass sie sich gewaltig angestrengt haben muss. Sie ist ein bisserl aufgekratzt, zeigt aber keine Spur von Erschöpfung. Ihre Uhr sieht das anders und verordnet ihr 95 Stunden Erholungszeit. Ich staune, das ist irre!

So haben wir beide einen überaus erfreulichen Tag in den Bergen gehabt. Ich war sicher, dass bis April 2024 in den nichts gehen wird und siehe da: es kommt immer ein bisserl anders, als man denkt! Sehr fein!

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