Wetter und freie Tage in Einklang zu bringen, erfordert Geduld. Aber die habe ich nicht. Aus welchem Grund auch immer will ich mit Renate heute auch auf einen Berg. Vielleicht rede ich mir auch ein, dass ich das schulde, weil ich ja am Vortag mit Gernot hier heroben war. An einem Tag, an dem sie arbeiten musste. Außerdem ist es vielleicht die letzte Chance, Renates neue Grödel und Gamaschen vor dem Sommer auszuprobieren. Wie auch immer, so stehen wir um halbzwölf am Preiner Gscheid und es schneit.
Was tun? Das Looshaus hat noch zu, der Knappenwirt auch. Oben sieht man Schneefahnen vom Plateau weit ins Lee ragen. Renate legt ein Veto ein. Was denn das bei diesen Bedingungen soll? Recht hat sie. Aber bei mir setzt es wieder einmal aus. Der Wetterbericht besteht auf Besserung, das Gelände sollte ich ausreichend gut kennen und die Tour ist auch ein bisserl kürzer als gestern. Lass‘ uns doch schauen, wie weit wir kommen. All das sind die Zutaten für einen Ausflug, der weitere gemeinsame Unternehmungen mit mir für immer vermiesen kann. So sitzen wir noch ein bisserl im Auto und schauen Mio zu, der draußen im Schnee die Welt nicht ganz packt.
Am Preiner Gscheid bläst der Wind und es ist ordentlich kalt. Das ist mir nichts Neues. Der Wind ist nach 100 Metern sicher weg. Nur heute nicht. Sachen gibt’s! So steigen wir im unverspurten Schnee Richtung Reißthalerhütte. Renate ist es sichtlich ein bisserl frisch. Also sichtlich heißt, dass ich das jetzt auf den Fotos sehe. Am Berg war ich im leichten Wahn. In eben diesem Wahn packe ich Renates Grödel und Gamaschen aus. Wir schnaufen den Rücken Richtung Gretchensteig hinauf. Zach ist es – no doubt! Kalt ist es, aber auch die Sonne lacht. Ebenso lacht Renate. Das nehme ich als Aufforderung für Weitergehen. Dann geht es durch die Latschen in immer tieferem Schnee. Der Puls steigt schneller als wir. Der Wind kann es auch. Wild schaut das aus.
Der Steig an sich ist ja nicht sonderlich lange und auch nicht technisch schwer. Nur bei den heutigen Bedingungen ist es ein bisserl spannend. Mio hat gut Schnee und Reif angelegt. Er versteht auch nicht, warum er da rauf muss. Wieder ziehe ich ihm die Schlinge um den Hals und diesmal schiebt Renate. Da ich kein Murren von hinten vernehme, steige ich weiter. Drehe ich mich um, sehe ich ein Lächeln und in den Windpausen höre ich ein „Muss gehen!“ als Antwort auf mein „Geht’s noch?“. Die Böen pfeifen den Steig hinauf, dass es eine Freude ist. Die Seile sind teils tief unter dem Schnee. Renate und ich funktionieren eingespielt, als hätten wir die letzten Jahre nichts anderes gemacht. Mit Ziehen und Schubsen kommt Mio den Berg rauf. Dicke Schneeknollen hat er am Fell. Ui, hoffentlich gibt der Hund nicht auf.
Dann ist der Steig erledigt. Das Plateau wartet. Erst habe ich Sorge, dass es Mio davon bläst, aber der hat wieder Energien und findet den Sturm da heroben lustig. Er hüpft und jagt herum. Wind oder Sturm haben Renate bei den Wetterprognosen auch immer alarmiert und jetzt steht sie da, Wind und Eiskristalle beißen im Gesicht. Und was höre ich: „Muss gehen!“. So stolpern wir in den Winterraum am Karl-Ludwig-Haus. Die Erholung tut gut.
Die Kette vom Karl-Ludwig-Haus führt heute durch Pulverschnee Richtung Karlgraben. Wann immer ich mich umdrehe, sehe ich Renate lachen. Aber hallo! Jetzt kommt noch der Karlgraben. Der ist unverspurt und recht tief. Renate fragt, ob das mein Ernst ist hier. Ist es, der direkte Abstieg durch den Graben geht doch schön entspannt. Mio hat heute keinen Übermut. Er bricht bis zum Bauch ein und will vermutlich schon gerne unten sein. Renate erkennt auch nicht ganz die Leichtigkeit, aber macht weiter gute Miene zu diesem Spiel. Blöd, dass ich meine Gamaschen vergessen habe. Aber irgendwie soll ich ja auch die Bedingungen spüren. Und das tue ich fast bei jedem Schritt, wenn der Schnee unter die Hose an die nackte Haut kommt.
Am Ende des Karlgrabens sagt Renate dann zu meiner völligen Überraschung, dass es ihr trotz der teils üblen Bedingungen auch irgendwie gefallen hat. Was staune ich!
Am Waxriegelhaus wird ordentlich gegessen. Auf der alten Schipiste geht dann ein Ausflug auf die Rax zu Ende, der sich sicherlich ganz tief in unsere Erinnerung eingebrannt hat.
Danke, Renate!