Bergsteigen: Gretchensteig im Winter

Der Wetterbericht verspricht einen traumhaften Tag. Ich möchte in die Berge. Mio braucht Betreuung. Gernot hat Omikron hinter sich und möchte nur im niedrigen Pulsbereich etwas tun. Er könnte mit Mio spazieren und mir eine Raxüberquerung ermöglichen. Ach was, wir planen eine Spazierwanderung im niedrigen Pulsbereich. Unbesorgt und mit wenig Ausrüstung, weil der Hund dabei ist, und wenig Planung, weil anstrengend darf es eh nicht werden, verabreden wir uns für morgen.

In der Früh dann die Horrornachricht. Putin hat die Ukraine angegriffen. Was soll ich tun? Den ganzen Tag Nachrichten lesen und fassungslos sein? Ablenkung wird gut sein. Gelingt nicht ganz, aber besser als daheim.

Am Preiner Gscheid geht’s los. Mio wirft sich in den Schnee und wälzt sich. Skitourengeher starten, aber wir sind nach 60 Meter Richtung Reißthaler Hütte wieder weg und völlig alleine unterwegs. Die Reha-Wanderung unter Aufsicht Gernots Pulsuhr startet problemfrei. Bald ist es unverspurt. Der Schnee im Wald ist tief und damit teils ein bisserl zach, aber es geht. Dafür verspricht der Südhang ab der Reißthaler Hütte apere Abschnitte. Aber nicht lange, dann geht es wieder in tiefen Schnee. Mühsam, die Pulsziele werden nach oben angepasst. Aber wir schaffen das.

Oberhalb der Latschen ist Mio plötzlich auf und davon. Weit entfernt quert er einen steilen Hang und verschwindet Richtung Raxenmäuern. Aber diesmal hört er auf den Pfiff, vielleicht war es auch Zufall. Ein bisserl außer Atem kommt er zurück. Das muss schön anstrengend sein, wenn man bei jedem Schritt bis zum Bauch einsinkt und so bergauf rennt.

Den Martinsteig finden wir nicht. Oder wir wollen ihn nicht suchen. Der Gretchensteig sollte auch passen. Die Kraxelei ist teilweise unter einem steilen Schneefeld verborgen. Mio kommt an die Leine, er wird angeseilt. Bei den Stahlseilen, die zum Teil unter dem Schnee sind, wird es spannend. Er präsentiert sich als kühner Kletterer. Nur zweimal hebe ich ihn über eine Stufe. Er wäre schon nachgekommen, aber ich habe ihn beim ersten Mal lieber vor mir, habe ich doch selbst genug mit den Bedingungen und Mios Leine in einer Hand zu tun. Und so richtig versteht Mio auch nicht, warum wir gerade da rauf müssen.

Am Plateau warten jede Menge Gämsen. Der Hund ist begeistert, denn diese Tiere riechen so wie die „Adventure Wild Deer“-Leckerlis von Nestle. Zum Glück ist er angeseilt.

Nach ausführlicher Rast am Karl-Ludwig-Haus geht es den Karlgraben runter. Mio lässt nochmals mangelnde Bergerfahrung aufblitzen, als er sich in Laune auf dem über 35° steilen Harschdeckel wälzen will. Entsetzen sehe ich in seinen Augen, als die Fahrt losgeht. Aber mehr als einen Ruck schafft er nicht. Zum Glück ist er ja angeseilt.

Im Karlgraben ist seine Lebensfreude nicht mehr zu stoppen. Der Graben hat auch eine anständige Steigung. Mio springt wie ein Gamsbock runter, eine Freude ist das! Beim Anblick des Parkplatzes am Preiner Gscheid bleibt er stehen und streikt. Nein, Heim will er anscheinend nicht.

Tadellose Tour mit dann doch nicht ganz Niederpulswanderungscharakter. Super war’s!

Details auf garmin.com