Die Wetterprognose ist mit Sonnenschein den ganzen Tag und tiefen Temperaturen vielversprechend. Die Lawinengefahr ist ohne Tagesgang vernachlässigbar. Das schreit nach einer einsamen Tour auf den Hochschwab.
Um 8 Uhr bin ich in Seewiesen, die Wiese ist weitgehend aper und so beschließe ich, zum Sommerparkplatz vorzufahren. Ein Feldweg führt einen guten halben Kilometer ins Seetal. Wer es mit dem Auto schafft, spart sich in der Früh und am Nachmittag einen Hatscher. Erst geht es bergab, ehe es langsam ansteigt. Am Nachmittag ist es dann umgekehrt und wer sich das nach der Tour in Schuhen durch weiche Wiese sparen kann, ist sicherlich nicht undankbar. Der Traktor hat tiefe Spuren in den teils wirklich tiefen Schnee gefurcht. Die Q im Offroad-Modus schafft das. Wie das am Nachmittag sein wird, wenn das alles weich ist?
Es hat -4°C beim Start. Heute ist nichts mit Skaten, ich muss schon beim Start auffellen. Am hartgefrorenen Schnee bin ich trotzdem rasch durchs Seetal. Der Aufstieg zur Florlhütte ist recht eisig, im Wald mühsam und ohne Harscheisen kaum zu machen. Es liegt recht wenig Schnee und der ist hartgefroren, wie auf der Streif. Das Franzosenkreuz ist heuer ausgeapert. In den Vorjahren war es gänzlich unter Schnee bzw. nur ein kleiner Teil hat herausgeschaut.
Im Gegensatz zu den Vorjahren sind auch einige Tourengeher unterwegs. Unter der Voisthalerhütte treffe ich auf Vater und Sohn. Der Vater schimpft über die widrigen Bedingungen. Der Anstieg ist aufgrund der knappen Schneelage steiler als sonst und richtig eisig. In den Vorjahren konnte ich hier noch direkt nach oben, diese Jahr muss ich Spitzkehren hinlegen.
Am Graf-Meran-Steig hat sich dann die Frühjahrssonne schon gut hingelegt. Es hat augefirnt, was den Anstieg erleichtert. Leider starte ich zu früh in den steilen Hang und stehe bald im Aperen. Dabei fühle ich mich wie Gams oder Murmel, habe aber Bretter an den Pfoten und insgesamt zu viel an. Das treibt den Schweiß. Bald bin ich schulterfrei – eh kein Mensch weit und breit. So dampfe ich den Graf-Meran-Steig nach oben.
Auf 2.000m ist es wieder Zeit sich einzupacken. So weit alles gut und unspektakulär. Anstrengend ist es, aber wer hätte am Hochschwab von Seewiesen aus etwas anderes erwartet! Auf Facebook hat jemand geschrieben, dass ab dem Schiestlhaus kein Schnee mehr ist. Der ist aber zum Glück (wieder) da. Ich halte mich auf Empfehlung im Aufstieg links. Bedenken wegen der Wechte brauche ich nicht zu haben. Na dann! Schon von weitem sehe ich zwei Tourengeher in der steilen Querung, die sich im Schneckentempo fortbewegen. Der dritte im Bund und offensichtlich Bergkundige steht schon auf der anderen Seite. Ich wundere mich. Ja, die Querung ist mit ein Grund, warum ich in anderen Jahren, die rechte Seite gewählt habe, aber es sieht doch nicht so schlimm aus. Ich ziehe mir schon mal die Hardshell-Jacke an. Als ich dann in die Querung einsteige, kann ich keine Herausforderung erkennen. Erst auf der anderen Seite klärt es sich auf. Die junge Tourengeherin hat ein Harscheisen verloren und dabei etwas Panik aufgerissen. Ihr Begleiter hat sich offensichtlich anstecken lassen.
Auf den restlichen Metern zum Gipfelkreuz hat sich oft schon ein erschöpfungsbedingter Wahrnehmungsschleier über mich gelegt, aber diesmal bin ich klar im Kopf. Das ausgiebige Lauftraining ist also doch für etwas gut! So kann ich bei fast Windstille den Gipfel genießen. Jausenbrot und Grenadine-Saft stärken mich für die Abfahrt.
Unterhalb der Voisthalerhütte treffe ich auf den etwas gleichaltrigen Christian. Gemeinsam fahren wir ab. Die Abfahrt erinnert an die James-Bond-Szene auf Schlittschuhen in der Bobbahn. Wir haben halt Skier an, aber ähnlich wild tschindern wir durch den Eiskanal nach unten. Ab der Florlhütte kommen noch Gestrüpp und Äste dazu, die dir entgegenschnalzen. Zwischenzeitlich unterhalten wir uns gut und genießen Christians, dem Anlass durchaus angemessene Mon Cherie und Giottos. Selbst das Seetal ist so hart gefroren, dass wir fast ohne Schieben bis zum Auto fahren können.
Als letzte Herausforderung wartet nun noch die Fahrt zur Bundesstraße. Die Q steht ganz alleine da. Christian empfiehlt eine langsame und kontrolliert Fahrt mit Achtsamkeit, nicht die Bande der Bobbahn zu touchieren. Meine Erfahrung mit der Q sagt, dass Schwung ihr oft hilft. Covid-bedingt hat Christian das Fenster weit offen und wir starten. Erst geht es noch über Eis bergab, aber rasch hat Schmelzwasser von der Wiese die Zufahrt in einen Kanal, gefüllt mit einem Schnee-Wasser-Gemisch verwandelt. Solange es bergab geht, mache ich mir wenig Sorge. Die Luftfederung der Q habe ich in Offroad-Modus gebracht, mich selbst in Rallye-Modus. So lassen wir Badass-Dads uns in der Luxus-Karosse völlig bescheuert hin- und herwerfen. Als es dann eben bzw. leicht bergauf geht, muss ich nochmals mehr Schwung holen. Der Anblick vor uns lässt mich nichts Gutes erwarten. Schneematsch, Eis, Wasser, tiefe Fahrtrillen vom Traktor und Steigung – nix für das Großstadt-SUV! Beherzt steige ich aufs Gas und hoffe, dass wir nicht gegen die Bande geworfen werden. Christian hat andere Not und ruft: „Jetzt wird’s gleich mächtig spritzen, und ich krieg‘ das Fenster nicht mehr zu!“. Wie in der Werbung, aber ohne Drahtseil, das uns zieht und ohne Marketingbudget, das uns Schäden an der Q ersetzen würde, fetzen wir durch. Das Wasser spritzt bis übers Dach, aber nicht beim Fenster rein. Glück oder Audi-Absicht, wer weiß! Jedenfalls ist uns das Schicksal gnädig wir kommen ohne erkennbaren Schaden und ohne Hängenbleiben an der Bundesstraße an.
Toller Tag, tolle Tour, kurzweilige Abfahrt – alles top heute! Okay, die Bedingungen bei der Abfahrt.. Na ja, die sind am östlichen Alpenrand aber ohnedies meist von bescheidener Qualität.
Die Tour auf Garmin (mit einem Aussetzer)