Gernot hat fast Covid-19 und das hat nichts damit zu tun, dass er nicht den Königschusswandsteig mag. Renate hat Erkältungssymptome und so gehen Gernot und ich, beide K1, auf unterschiedliche Berge. Er nimmt den Schneeberg und ich die Rax.
Sabine ist im Home-Office, die Kinder im Home-Schooling und der Gärtner kommt auch noch. So komme ich recht spät weg und der Tag ist kurz. Da werde ich also Gas geben müssen/dürfen. Zusätzlich ist wegen Waldarbeiten der Zustieg zum Haidsteig gesperrt. So parke ich am Preiner Gscheid und mache mich auf den Weg zu einigen Premieren.
Zu allererst fällt auf, dass mehr Autos parken, als ich gedacht habe. Aber im Vergleich zum Wochenende ist es natürlich menschenleer. Am Gscheid bläst es wie gewohnt eisig. Aus dem Mürztal drückt es den Nebel herauf. Die Luftmassen zwängen sich übers Gscheid, was die Luft abkühlt und alles mit Reif überzieht. Wohlwissend, dass es schon nach ein paar hundert Metern besser sein wird, starte ich in kurzen Hosen und friere.
Rasch ist das heute so ganz ruhige Waxriegelhaus erreicht. Weiter geht es über den Göbl-Kühn-Steig zur ebenso verlassenen Neuen Seehütte. Schnee und Reif signalisieren klar, dass es im Schatten frostig ist. Aber ich bin in Fahrt und bald beim Preinerwandkreuz. Der Abstieg über den Haidsteig ist dann die erste Premiere.
Beim Abstieg wird einem erst bewusst, wie scheinbar die Sicherheit des Klettersteigsets ist. Einmal eingehängt rauschen die Karabiner in die Tiefe und ich steige hinten nach. Das geht eigentlich recht gut und besser als erwartet. Trotzdem brauche ich eine Stunde für den Abstieg, was deutlich länger ist als die übliche Zeit für den Aufstieg. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich mit jedem plaudere, der mit entgegenkommt. Immerhin vier Kraxler treffe ich.
Vom Einstieg, oder heute Ende, des Haidsteigs geht es über den Holzknechsteig zum Königschusswandsteig. Mah, ist das zach. Bei jedem Schritt rutsche ich im steilen Geröll ein Stück zurück. Gottfried als Sisyphos, mit endlos vielen kleinen Steinen unter den Füßen statt einem riesigen Stein im Nacken. Spaß ist das keiner!
Im Königschusswandsteig treffe ich einen weiteren Kraxler. Er hat als Besonderheit Musik am Handy spielen. Älter als ich hat er auch den volkstümlicheren Geschmack bei der Musikauswahl. So feiert er sich an diesem sonnigen Tag selbst, lässt mich vor und erfreut sich vielleicht an der Tatsache, dass bei mir der Akku schon langsam im roten Bereich ist. Nach 33 Minuten ist aber auch der Steig erledigt und ich steige zur Seehütte ab, wo ich mich an der windgeschützten und sonnenzugewandten Seite meiner Jause widme. Der Akku lädt sich wieder auf.
Auch wenn Mittag vorbei ist, starte ich Richtung Habsburghaus. Jetzt folgt der Cardio-Teil, also eigentlich das etwas genuss- und sinnentleertes Lauf-Marschier-Wandern. Ständig rechne ich, ob sich meine geplante Route noch bei Tageslicht ausgeht. Ich überlege mir Zeiten und Umkehrpunkte. Letztlich komme ich gut voran, lasse das Habsburghaus rechts liegen und steige in den Bärlochgraben(?) ab, ehe es wieder, mittlerweile schon recht deutlich im Schatten, aufs Gamseck geht. Bei der Grasbodenalm wärmen nochmals ein paar Sonnenstrahlen, ehe es frisch wird.
Zu meiner Verwunderung kommt mir am Gamseck tiefenentspannt ein Wanderer mit seinem Hund entgegen. Er pfeift ein Liedchen und hat kein bisschen Sorge vor dem Einbruch der Dunkelheit. Vom Gamseck steige ich in tiefstehender Sonne zur Heukuppe auf. Hier ist meine Verwunderung noch größer. Zwei Wanderer setzen sich gemütlich beim Kriegerdenkmal nieder und schauen der untergehenden Sonne zu. Aber ich eile weiter. Die nächste Premiere wartet, denn ich steige den Reißtalersteig ab. Auch hier hole ich einen Wanderer ein, der am Ende der Leitern also am Wandfuß Platz in den letzten Sonnenstrahlen genommen hat und einfach chillt. Haben die alle den Rucksack voll mit Stirnlampen?
Ich habe jedenfalls keine mit und laufe den Steig zur Reißtalerhütte hinunter. Danach treffe ich auf zwei Damen, die gar noch in Klettersteigausrüstung am Weg bergab zum Preiner Gscheid sind. Mittlerweile ist es dämmrig, aber noch gut zu gehen oder laufen. Das Gscheid erreiche ich bei gutem Licht. Für die anderen hinter mir sieht das aber nicht so gut aus. Seltsam, wieder etwas gelernt. Vielleicht habe ich ja unbegründete Sorge vor der Dunkelheit. Mit dem Vater sind wir öfters in der Finsternis angekommen. Vielleicht kommt daher meine Sorge, denn angenehm war das als Kind nie so recht.
Egal, ich hatte einen wunderbaren Kletter-Auslauf-Tag auf der Rax. Und das zählt letztlich.