„Auf der Rax kenne ich jetzt wirklich schon jeden Steig!“ – Klingt wichtig, stimmt aber bei weitem nicht. So machen sich Gernot und ich auf den Weg, um Neuland zu erkunden.
Okay, den Alpenvereinsteig kennen wir wirklich schon. Gernot ist nach zwei Monaten und 1,2 Millionen Schritten in Leogang fit. Da kann uns der nasse Steig nicht aufhalten. Es gibt nur wenige Stellen, wo auf der Rax Wasser an der Oberfläche fließt. Der Regen der letzten Tage versetzt daher den Alpenvereinssteig Richtung Hohe Tauern. Dort, wo man sonst ausgetrocknete Bachläufe quert, plätschert Wasser munter Richtung Tal. Das hat was.
Selbst spüre ich den Anstieg ordentlich. Garmin hat mit seiner Vielzahl an „Challenges“ dafür gesorgt, dass ich die letzten Tage und Wochen schön brav laufe. Was man nicht so macht, um in einer sinnlosen Liste ein paar Punkte weiter nach vorne zu kommen!
Nach gut zwei Stunden sind wir bei der Höllentalaussicht und nach gut drei Stunden bei der Neuen Seehütte. Somit gibt es frühes Mittagessen. Mit Grammelknödel im Bauch geht es etwas träge auf den Trinksteinsattel. Ab hier beginnt für mich Neuland, denn wir zweigen vom Weg zur Habsburghütte rechts ab. Über das landschaftlich schöne und menschenleere Plateau geht es auf die Scheibwaldhöhe. Die Gämsen wundern sich ein bisserl über den seltenen Besuch.
Bald steigen wir zum Klobentörl ab. In gerader Linie düsen wir weiter zum Rudolfssteig. Es sind nur noch etwas über drei Kilometer, aber 1.000 Höhenmeter. Wir ahnen, was da kommen mag. Die Landschaft ist beeindruckend: Feenwald, Märchenwiesen,… Ich komme mir vor, wie im Wunderland. Die verbleibende Distanz wird immer kürzer, aber die Höhenmeter werden nicht so recht weniger.
Und dann geht es los! Da schaue ich nicht wenig blöd. Ähnlich steil wie am Wachthüttelkamm stürzt der Steig in die Tiefe, aber es gibt weder Leitern noch Seil. Okay, an ein paar Stellen ist ein Seil gespannt. Oh, da schauen wir aber. Ich staune, auf welcher Steigung sich Wald halten kann. Was sich vom Höllental aus wie eine riesige Felswand präsentiert, ist bei der Begehung eine hohe Mauer. Links und rechts fällt diese teilweise extrem steil ab, während der Steig steil und teils rutschig oben auf der Mauer führt. Leichter Nieselregen macht die Sache nochmals ein bisserl spannender. Alles in allem ist es aber nicht so schlimm. Wir kommen gut und fast trocken unten an.
Die Erkenntnis ist, dass die orographisch gesehen linke Seite des Großen Höllentals im Vergleich zur rechten Seite völlig zu Unrecht sträflich vernachlässigt wird. Damit sollte auch am Wochenende hier Ruhe zu finden sein, während sich vis-a-vis am Alpenvereinssteig und am Teufelsbadstubensteig bunte Perlenketten den Berg hinaufschieben.
Fein war’s, lang war’s!