Eben erst aus Istrien zurück, stellt sich die Frage, was wir in der zweiten Urlaubswoche anstellen. Wir scannen Österreich nach verfügbaren Hotels. Die, die noch über sind, sind wohl zurecht über. So rufe ich im Gradonna an, wo Carina des guten Essens wegen hin will und wir aufgrund unserer Stammkundenschaft auch wirklich zwei Zimmer bekommen, obwohl alles ausgebucht ist. Irgendwie kommt der Entschluss auf, dass es ein 3.000er sein soll.
Wir überlegen zwischen Tschadinhorn und Böses Weibl hin und her. Mir ist beides recht, und so entschließen wir uns letztendlich für das prominentere Böse Weibl. Im April 2018 war ich mit Gernot mit den Skiern oben. Damals war ich ja nicht bis beim Gipfelkreuz. Das wird diesmal nachgeholt werden.
Wir sind schon in der zweiten Augusthälfte und so ist es noch dunkel, als um 5 Uhr der Wecker läutet. Die Sachen sind gepackt. Zur Freude des lokalen Sportgeschäfts hat sich Sabines Nervosität noch in einer Shopping-Attacke am Vortag entladen, sodass wir nun auch zur Not ein, zwei Tage oder auch Wochen länger am Berg bleiben können.
Kurz nach sechs sind wir beim Lucknerhaus und suchen einen Parkplatz! Wo sind die alle? Da muss es sich abspielen am höchsten Berg Österreichs!
Der Aufstieg über die Nigglalm durchs Peischlachtal zum Peischlachtörl ist landschaftlich schön. Ich hatte befürchtet, dass der Weg über die schrägen Wiesen Sabine stresst, aber nichts davon. Auch der Aufstieg Richtung Gipfel geht super gut, obschon ich Anstrengung höre. Sabine marschiert mit ihrem ungewöhnlich hohen Puls zügig dahin, wir kommen schnell voran. Ich wundere mich, wie man diese Belastung so lange aushalten kann. Selbst tuckere ich wie ein alter Diesel niedertourig hinten nach.
Unter dem Tschadinsattel hat die Wanderung erstmals nachhaltig ein Ende. Ein Weg ist nicht so richtig auszumachen. Wir sind über 2.900 m, wo der Fels nur für kurze Zeit im Jahr ausapert und so führt es ein bisserl weglos hinauf zum Sattel. Das ist nicht unbedingt nach Sabines Geschmack. Aber sie hält sich ebenso tapfer wie auch oben am Grat. Hier ist was los, die Menschen tänzeln von Block zu Block und lassen Sabine staunen. Es ist ihr erster Dreitausender und ihr dritter Berg, da darf man staunen.
Am Gipfel findet sich all das, weswegen ich die Einsamkeit meiner Routen unter der Woche außerhalb der Ferien schätze: Ein Paar aus Bayern hat sich am Sockel des Gipfelkreuzes niedergelassen und erfreut sich an der Tatsache, dass sie wohl endlos Gipfelfotos zieren werden. Zierde sind sie aber wahrlich nicht, und das liegt nicht nur am fortgeschrittenen Alter. Ich ersuche sie höflich, sich doch ein bisserl zu schleichen. Erst verstehen sie es nicht, verziehen sich dann aber kichernd. Zumindest auch ein Hund ist heroben. Gehört dazu, wie die Bergkumpel, die ganz traditionell am Gipfel ihr Bier, ihren Schnaps oder ihr Weiß-ich-was-Gesöff kippen und sich dabei fotografieren. Natürlich darf nicht der Superportler fehlen, der seine neue Bestzeit aufgestellt hat (und es dich wissen lässt, egal ob du es willst oder nicht). Na ja, der liebe Herrgott hat einen großen Zoo.
Auch wir schießen schöne Fotos. Ich versuche mich an den gewünschten Boomerang-Aufnahmen eines jungen Pärchens und scheitere, weil ich ein Hochspringen erwarte, sie sich aber nur vom Sockel plumpsen lassen. Auf Facebook sieht das dann aber sicher super aus.
Wir verlassen das bunte Treiben und ich bestehe spontan auf den Abstieg über das Gernot-Röhr-Biwak. Diese Variante sollte ruhiger sein. Ist sie auch, sie ist aber auch steiler und mühsamer. Mit den Schiern war das im Aufstieg gar kein Problem, aber für Sabine ist es nun anstrengend. Da kann man hundertmal sagen, dass der Gipfel erst die Hälfte der Strecke ist. Aber man muss erleben, dass der Gipfel eben nicht den Sieg bedeutet. Der Abstieg kann schon noch ganz schön mühsam sein. Aber kein Motzen kommt von hinten und irgendwann ist dann doch das Biwag erreicht, wo eine Pause nun unerlässlich ist. Nochmals ein paar Meter über das rutschige und rutschende Gelände, ehe angenehmerer Untergrund erreicht ist und auch die Stimmung wieder steigt.
Der weitere Abstieg ist unspektakulär. Eine Stelle, für die sich Sabine im Aufstieg das Fürchten im Abstieg ganz fest vorgenommen hat, übersieht sie jetzt. Ich staune nicht schlecht, will aber auch nicht aufs Fürchten bestehen. So schnell kann man also Fortschritte machen. Nach knapp neun Stunden sind wir wieder beim Lucknerhaus und sind fertig, wirklich fertig. Zwei Tage später stellt sich ein grausamer Muskelkater bei Sabine ein – oder auf Steirisch liebevoller: Sabine hat „Spatzen“.
Feine Tour in noch feinerer Begleitung!