Wir waren diesmal zu Ostern in Zauchensee. Dazu gibt es einen eigenen Eintrag. Am Karfreitag schnalle ich die Skier an und steige auf den Bärenstaffl.
Kurz vor halb acht gönne ich mir ein Frühstück und fülle die Teekanne. Der Wetterbericht verspricht Sonnenschein von in der Früh bis am Abend. Der Lawinenlagebericht beschreibt eine typische Frühjahrssituation mit Tagesgang. Also, früh raus, aber auch nicht zu früh, denn wer mag schon Harsch von oben bis unten. Den Aufbruch wähle ich also so, dass ich noch vor dem Start der Lifte in Oberzauchensee die Piste hinter mir lassen sollte.
Auf der Piste komme ich schnell voran und Oberzauchensee liegt bald hinter mir. Der Aufstieg auf die Hubertushöhe folgt der Telegrafenleitung und ist auch kein sonderliches Problem. Die Harscheisen sind montiert. Damit geht es nicht mehr ganz so schnell, aber es passt trotzdem.
Ab der Hubertushöhe geht es dann steiler durch einen Lärchenwald. Ständig mache ich mir Sorgen, wie das noch steilere und vielleicht harte Feld oberhalb des Waldes sein wird. Immerhin fällt das Gelände dort über Felsen ab, blabla und nochmals bla! Das kenne ich gar nicht an mir. Ullis Erkrankung muss meinen Kanal ins Angstzentrum durchgeputzt haben. Also: „Ich mache jetzt einen Schritt und eine Spitzkehre nach der anderen. Und wenn es total dramatisch wird“, was die Vernunft völlig ausschließt, „drehe ich eben um. Hätte ich nur den Skistock mit dem Notpickel mit!“. „Was soll der Mist? Die Tour ist eine entspannte Runde!“ sagt die Vernunft. So unterhalten sich zwei Stimmen in mir. Auch recht, bin ich wenigstens nicht alleine unterwegs.
Und dann kommt der „angsteinflößende“ Teil der Tour, die Schlüsselstelle. Angst ist nie rational und das weiß die Vernunft in mir nur zu gut. Ein paar Spitzkehren und eine unbedenkliche Querung weiter triumphiert wieder einmal die Vernunft, da jede Sorge unbegründet war. So arbeite ich an mir und meinem Umgang mit dem bislang unterentwickelten Sorgenzentrum. Zumindest kann ich mich jetzt viel besser in Menschen mit Angst hineinversetzen. Bislang war meine Empathie ja auf ein: „Und warum scheißt sich der jetzt wegen dem da so an?“ beschränkt. Gut, mit dem Alter kam die Erfahrung dazu, dass andere Menschen Angst haben, sich diese sicher nicht ausreden lassen und ich im Interesse eines Weiterkommens Geduld und Verständnis zeigen muss. Jetzt kann ich es nachempfinden. Aber das wird schon wieder, hoffentlich!
Am Gipfel staune ich dann nicht schlecht. Das Gipfelkreuz liegt da – abgebrochen. Und es liegt nicht nur so einfach da, es liegt auf der Wechte und die hat sich schon vom Berggrat gelöst. Spuren zeigen, dass da ein anderer Tourengeher auf der angebrochenen Wechte herumspaziert ist. Ob die schon angebrochen war, als er nach vorne marschiert ist? Nun sagt, sogar die Vernunft, dass wir lieber auf der sicheren Seite bleiben.
So setze ich mich auf das umgestürzte Gipfelkreuz und trinke meinen Tee. Sollte es plötzlich unter mir grummeln, müsste ich ganz schnell den Hintern heben und das Gipfelkreuz abrauschen lassen – guter Plan!
Mein Interesse und meine Faszination hat nun die Frage, wie man da auf die Steinfeldspitze weitergeht. Offensichtlich ist, dass der Grat eine Kraxlerei wäre. Aber auch der Osthang ist nicht einladend. Da bilden die Schneemäuler schon einen fröhlich schmetternden Chor. Ich sehe da keine Chance. Beim Abstieg treffe ich einen anderen, einheimischen Tourengeher, der meint, dass man ein Stück abfahren müsse, ehe man wieder auf die Steinfeldspitze aufsteigen kann. Das habe er vor. Ich kann es mir nicht vorstellen.
Auch wenn es windstill ist und die Aprilsonne zum Verweilen einlädt, mache ich mich an die Abfahrt. Der Gipfelhang ist noch recht hart, im Lärchenwald firnt es anständig auf bzw. macht sich schon Sulz breit, wo die Sonne seit ihrem heutigen Aufgang hinbrennt. Egal, Frühjahrsabfahrten gibt es in der Woche ohnedies mehr als genug.
Wieder im Hotel staube ich noch Reste des Frühstücksbuffets ab, ehe ich mit der restlichen Familie und Markus, Matthias und Maximilian wieder die Pisten wetze.
Tadellose Bedingungen, traumhaftes Wetter auf dieser eher kurzen Tour. Nur ein leichter Nebel hängt im Hirn. Den wird die fröhliche Sonne schon wieder wegbrennen.