Wieder der Schneeberg, diesmal aber vom Westen aus über den Frohnbachgraben. Da war ich noch nie, das kenne ich nicht. Rund 1.600 Höhenmeter erwarten uns. Das könnte zäh werden und wurde es auch. Aber beeindruckend!
Bei neuen Touren kommt bei mir immer eine Besorgnis auf. Das ist auch gut so! Was ich da nicht alles abchecke. Zuerst mache ich mir Gedanken, ob denn der enge Graben nach den riesigen Schneemengen der letzten Wochen überhaupt begehbar ist. Dann bin ich wieder nicht sicher, ob denn der Ausgangspunkt mit 566 m nicht ein bisserl tief liegt. Also, ob nicht der Regen am vergangenen Wochenende all den Schnee unten weggefressen hat und wir endlos die Skier tragen müssen. Was jetzt? Gernot sagt: „Wir gehen.“ und wir fahren am Dienstag mit Aussicht auf wolkenlosen Himmel los.
Gernot hat schon wieder ein neues Auto und das parken wir auch am Eingang des Frohnbachgrabens, als einziges Auto, versteht sich. Offenkundig ist, dass uns die Gleitschneelawinen nicht verschlingen werden. Aber ebenso erfreulich ist die Erkenntnis, dass wir auch die Skier nicht tragen werden müssen. Passt, perfekt!
Vier bis fünf Kilometer wandern wir auf der Forststraße dahin. Lawinen legen ihre Knollen in den Weg, aber heute ist alles tiefgefroren. Man wandert und staunt. Am Ende der Forststraße holt uns dann ein Tourengeher ein. Er ist mit dem Bus angereist und wird auf der anderen Seite des Schneebergs abfahren. Auffällig ist sein etwas unökonomischer Bewegungsablauf und die Tatsache, dass er den steilen Teil nun ohne Harscheisen angeht. Aber es hilft alles nichts, er ist schneller als wir. Soll sein!
Nun geht es also den Wald hinauf. Es ist steil und hart, aber begehbar. Der Graben selbst ist von einer Lawine bedeckt, die gefrorenen Knollen lassen keine Begehung zu. Irgendwann ist es so steil, dass ich bei den Spitzkehren die Hände zur Hilfe nehme. Allmählich endet der Spaß. Der Unökonom ist schon ein ganzes Stück oberhalb von uns und hat nicht einmal Harscheisen! Aber auch er plagt sich. So drohen die Spitzkehren, allmählich zu Nahtoderfahrungen zu werden und so wie es aussieht, warten da noch viele Nahtoderfahrungen auf mich. Aus, ich entscheide mich für die Steigeisen. Gernot schließt sich an – da schau‘ her!
So kommen die Skier auf den Rücken und die Steigeisen an die Sohlen. Der Aufstieg ist wieder bedenkenlos. Wir machen schnell Höhe. Nur geht ebenso schnell der Puls in die Höhe. Gelegentlich sehen wir den Unökonom noch vor uns, wie er gerade mit dem Rücken von der Schwerkraft vehement nach hinten gezogen wird und wieder eine Spitzkehre turnt. Irgendwann kommen nur noch Eisbrocken runter gesaust, dann haben wir wieder Ruhe bei unserer Strapaz. Dass es anstrengend ist, belegt die Tatsache, dass wir keine Fotos machen. Dafür wird keine Kalorie vergeudet!
Irgendwann nützt ein faustgroßer Stein die steile Schräge zum Umzug. Ich weiche aus und rufe Gernot zu. Der Stein ist aber rücksichtsvoll und bleibt auf Schienbeinhöhe und weicht sogar Gernots Schienbein aus. Das hätte uns gerade noch gefehlt und ich hätte das erste Mal mit meinem neuen Gerät die Einsatzzentrale in Texas bemühen müssen: „Houston, we’ve a problem!“ oder so ähnlich.
Gernot bewältigt den Anstieg mit Steigeisen in bewundernswerter Zähigkeit! Und wie es immer heißt: „In der Bergen hat alles irgendwann ein Ende“. So erreichen wir auch irgendwann die Heinrich-Krempl-Hütte. Pause ist angesagt. Jetzt fehlt nur noch der Wurzengraben. „Nur noch“ ist hart, wissen wir doch, dass uns der Wurzengraben, aka also Sandi-Grube, gelegentlich den Akku ordentlich leert.
Gernot weiß, dass ihm böse Geister im Wurzengraben – aka Warzengrube – die Motivation rauben wollen und er nur durchhalten muss. Ich für meinen Teil beginne, die Schritte zu zählen. Das mache ich eigentlich nur, wenn es richtig zäh wird. Hundert Schritte, dann darf gönne ich mir eine Verschnaufpause. Das stört allerdings den „Flow“ und so stelle ich fest, dass es mir gut geht und ich auch 300 Schritts ohne Pause schaffe bzw. den Rest auch ohne Pause schaffe. Während ich so mit dem Flow und der Ermüdung experimentiere, taucht auch schon die Hütte vor mir auf.
Leute sitzen vor der Hütte – seltsam! Die Erklärung ist, dass jemand,
vielleicht am Wochenende, vergessen hat, die Türe zu schließen. Nun ja, wenn man gewöhnt ist, dass diese Aufgabe ein automatischer Türschließer erledigt, dann ist das verständlich. Aber hier gilt: „Die letzte Kuh macht’s Türl zu!“ – denn sonst haben die nächsten Gäste ein Problem. Nun geht also die Tür nur ein paar Zentimeter auf und schließen lässt sie sich auch nicht. Das ist bei den aktuellen Bedingungen nicht schlimm. Der Wind ist nicht stark und macht es lediglich ungemütlich. Aber bei schlechten Bedingungen oder gar bei einem Notfall ist das hier echt mies. Falls sich da jemand herschleppt und dann geht die rettende Tür nur ein paar Zentimeter auf. Dahinter warten Plusgrade und die Meldestelle der Bergrettung, aber der letzte Meter ist verschlossen! Mein Versuch, die Tür freizubekommen, bleibt leider erfolglos. Zumindest melde ich den Schaden am Abend dem Betreiber.
Wir fahren ab. Der Wurzengraben ist wie immer eher eine harte Skipiste denn ein Tourengenuss. Bei der windstillen Krempel-Hütte leeren wir die letzten Reserven an Tee und Proviant, ehe wir in den Frohnbachgraben abfahren. Die Abfahrt ist dann eine super feine Überraschung. Die Sonne hat den Schnee aufgefirnt und so können wir den steilen Hang in der Nachmittagssonne genussvoll runterschmieren. Beste Abfahrt vom Schneeberg bislang!
Die Forststraße hingegen liegt im Schatten und ist gefroren. Auch ist sie wenig begangen oder befahren. Das strengt die müden Schenkeln nochmals an. Wir trösten uns damit, dass es im Frühjahr bei keinem Schnee oder weichem Schnee noch mühsamer sein muss. So beenden wir die Tour also mit 4,5 Kilometer Ratertaterta und jeder Menge unangeforderter Fußsohlen- und Schenkelmassage.
Yes, we did it! Bei diesen Bedingungen eine klare Empfehlung!
Details via Garmin
Lawinenlagebericht