Nach einer Ewigkeit war ich wieder einmal mit Seil am Fels unterwegs. Für Gernot war es überhaupt das erste Mal. Wir hatten eine Riesenhetz und werden das sicherlich weiter verfolgen 😉
Mit dem alten 30m-Seil, 4 Expresssets, ein paar Karabinern und einem mulmigen Gefühl machen wir uns auf den Weg nach Hinternaßfeld. In jungen Jahren waren ein IIer nie Anlass, ein Seil oder irgendeine Sicherung zu verwenden. Ein Zweier war besser als einfaches Wandern oder Bergsteigen, eine Abwechslung halt und kein bisserl mehr. Aber jetzt, wo uns die Erfahrung so viel Reife und damit leider auch Wissen um das, was passieren kann, eingebracht oder besser eingebrockt hat, schaut das anders aus. Am Vorabend mache ich mich auf YouTube schlau. Wenn da jemand meinen Suchverlauf mit dem Vorhaben abgleicht, müsste er eigentlich einschreiten. Im Keller übe ich die Knoten und hänge mich an die Decke. Geht ja alles noch wunderbar – zumindest daheim im Keller 😉
Der Anstieg hat es in sich. Wir haben beide längere Zeit nichts gemacht. Ich habe in den Wochen in Kroatien und Portugal nur gefaulenzt und das macht sich bemerkbar. Entsprechend aufgewärmt kommen wir an der Wand an. Die schwüle Wärme ist allerdings schnell wie weggeblasen, als wir ehrfürchtig das Gamseck hinaufschauen. Gernots Idee, das Seil nur an den „kritischen“ Stellen zu verwenden, verschwindet ebenfalls mit dem frischen Westwind. Brav steigen wir in unsere Klettergurte und halten das Kletterzeug parat. Das Seil bleibt noch kurz im Rucksack.
Die Berichte, die wir am Vorabend gelesen haben, erwähnten leicht abdrängende und fast senkrechte Felsen. Ich kann nichts entdecken. Leider kann ich auch die roten Markierungen nicht entdecken. Ein Normalsichtiger sieht die rote Perlenkette schon weit voraus, ich leider erst, wenn ich fast draufstehe. Das hat damit zu tun, dass die roten Punkte hier ohne weißen Hintergrund aufgemalt sind, und so habe ich selbst keine Chance. Gernot sagt mir von hinten an.
Mit den Knoten haben wir auch ein leichtes Problem. Ich kann mich zwar selbst einbinden, aber bei Gernot will mir das nicht gelingen. Die letzten Jahrzehnte konnte ich mir ja auch nur selbst die Krawatte binden. Nicht viel besser ergeht es Gernot, ihm will der HMS nicht gleich gelingen, obwohl ihm dieser in seinem Kurs als wichtigster Knoten eingehämmert wurde. So stehen wir zwei Dodeln in der Wand an diesem einsamen Dienstagvormittag und amüsieren uns über unsere Unzulänglichkeiten.
Der Steig selbst ist eine schöne Kletterei. Die wilden, abdrängenden Stellen muss der letzte Winter abgeschliffen haben, davon bekommen wir zum Glück oder vielleicht doch leider nichts mit. Wir steigen problemlos fast wie in jungen Jahren hinauf. Das Klettern macht uns beiden riesigen Spaß. Die Verwendung des Seil klappt auch, obschon die Kombination aus 30m-Seil und ausschließliches Vertrauen auf Klebebohrhaken gravierende Nachteile hat. Bei einer Seillänge höre ich Gernots Warnruf, dass das Seil in fünf Metern aus sein wird. Kein Haken in der Nähe, weder Bandschlinge noch Klemmkeil dabei, nicht einmal ein brauchbares Felsköpfel in Griffweite – was tun? Wieder ein Stück runter zum letzten Haken wäre die einzig richtige Option! Ich steige die fünf Meter in einfachem Gelände weiter und siehe da, mich trennen nur noch weiter fünf Meter bis zum nächsten Haken/Stand. Damit treffe ich eine Entscheidung, aufgrund der ich zumindest die AV-Mitgliedschaft zurückgeben müsste, und rufe: „Kannst kommen“ und ziehe Gernot wie einen Ochsen am Strick die nächsten fünf Meter hinter mir her. Ich denke mir, dass er da eh nirgends runterfallen kann und wird, und nur das Gefühl der Sicherheit braucht. Es ist ja seine erste Tour mit Seil im Fels. Darf man nicht, tut man nicht. Oben meint er selbst, das Echo am Seil war anders und so hat er sich eh gedacht, dass wir jetzt zugleich steigen. Darf man nicht, tut man nicht. Aber der Berg ist nachsichtig.
Das Steigbuch amüsiert ebenfalls. Da hat doch glatt ein Zyniker ein Notizbuch des AMS (Arbeitsmarktservice) abgelegt. Wir tragen uns ein, wenngleich dieses Arbeitsmittel vermutlich an einen Arbeitssuchenden übergeben wurde, um sich hier Notizen zu seinen Jobangeboten zu machen. Der hatte wohl ähnlich viel Bock auf eine Anstellung wie wir.
Nach dem Buch muss man noch einmal ausgesetzt abklettern, ehe es aufs Gamseck und damit die Wiese geht. Das meistern wir wie die Pros, unsere erste Klettertour ist überstanden.
Das Sichern mit dem Seil braucht Zeit, nicht nur, weil immer nur einzeln geklettert werden kann. Die Heukuppe wird somit gestrichen, wir wandern direkt zum Habsburghaus, wo wir uns jede Menge Momos und Kuchen gönnen.
Runter wählen wir den Peter-Jokl-Steig. Der wird seinem Ruf gerecht. Er ist entsprechend wenig begangen. Natürlich geht auch dieser scheinbar endlose Steig zu Ende und wir kommen nicht beim Erdmittelpunkt sondern beim Parkplatz wieder raus.
Was für ein Spaß, machen wir wieder, definitiv!
Volle Zustimmung und ja, die Kletterei hat auch mir großen Spass gemacht. Vielen Dank für dieses Experiment – dies ist bereits die dritte neue Erfahrung aka “das aller-erste Mal” in den letzten 8 Monaten und in meinem neuen Leben: Schitour – Klettersteig – Klettern. Unfassbar.